Nun sicher, wenn man ein „ähnliches nationale“ Bild wie in Deutschland oder Frankreich im Hinterkopf hat, wird man in Italien extrem überrascht sein, dennoch verkauft die FIAT-Gruppe rund 30-32% Autos pro Jahr.
Das Problem, was FIAT hat, sind die oberen Segmenten, in denen man nicht als Gruppe Fuß fassen kann, aber das ist eine eigene Geschichte.
Man darf nicht vergessen, „Italien“ ist ein „nationales Gebilde“, aber die Mehrzahl der Menschen, die in diesen Grenzen lebt, fühlt sich weniger als „Italiener“. Italien – auch wenn das viele überrascht – ähnelt vom „nationalen“ Standpunkt eher dem ehemaligen Jugoslawien als den großen Nationalstaaten Frankreich oder Deutschland, die ein „nationales“ Bewusstsein und auch einen gewissen „Nationalstolz“ haben.
„Wir“ sind Sizilianer, Südtiroler, „Padaner“ (was immer das auch sein mag), Römer, Mailänder, Neapolitaner, aber nicht wirklich „Italiener“. Italien ist halt ein „künstliches“ Gebilde mit 150 Jahren auf dem Buckel.
Dass früher FIATs gefahren wurde, hatte weniger mit „nationalem“ Stolz oder „nationalem“ Gewissen zu tun, als vielmehr mit der „Notwendigkeit“, der „Einfachheit“ und vielleicht auch „Unwissenheit“ fremder Produkte.
Heute gibt es aber auch beim Kauf italienischer Autos ein deutliches „Nord-Süd-Gefälle“. Die FIAT-Gruppe ist in Süditalien besonders stark, in Norditalien teilweise kaum „vorhanden“, in der Mitte in etwa im „nationalen“ Durchschnitt. Ausreißer sind hier – wem wundert es – Piemont, in der – obwohl zu Norditalien gehörend – die FIAT-Gruppe stärker als im Landesdurchschnitt ist – und die Toskana, die zu Mittelitalien gehörend, dennoch ausländische Fahrzeuge bevorzugt.
Nun hat sich auch das Kaufverhalten der Italiener in jeder Hinsicht geändert. Früher kaufte man ein Auto NEU, behielt es viele Jahrzehnte, manchmal noch als „Zweit- oder Drittwagen“ neben dem neuen. Das „eigene Heim“ war immer wichtig, die Familie, aber ein Auto war ein reiner „Gebrauchsgegenstand“, ohne große emotionale Bindung daran.
Ab Mitte der 90er Jahre - wenn ich böse wäre, würde ich sagen, mit dem Erscheinen Silvios

– änderte sich das Bild mehr und mehr und das Auto stieg in der Betrachtung der Menschen.
Nun wurden Autos „auf Pump“ gekauft, was früher beinahe undenkbar war.
Ab der Jahrtausendwende gingen die Hersteller mehr und mehr auch noch dazu über, ein „Abwrackprämie“ zu gewähren und last but not least die letzte staatlich geförderte Abwrackprämie. Vor 10 bis 15 Jahren lag das Durchschnittsalter der Autos in Italien bei über 14 Jahren und damit war man Schlusslicht der EU, heuer liegt man in der Spitzengruppe in Sachen „Jugend“ beim Durchschnittsalter.
Daher sind die „alten Italiener“ kaum noch zu sehen. Einen Lancia Kappa wird man kaum noch sehen, den alten Thema noch weniger.
Der Thesis verdient wiederum eine „Sonderrolle“, denn zum einen war er ein Flop, zum anderen in einem Segment, das traditionell niedrige Stückzahlen besitzt, sodass kaum ein Thesis wirklich jemals als „Neufahrzeug“ an einem Privatmann verkauft wurde. Aber noch heute sind viele Fahrzeuge im „Staatsdienst“ und besonders seit Mario Monti erlassen hat, die „alten“ Fahrzeuge wieder „auszumotten“, sieht man mehr und mehr Lancia Thesis im Umlauf.
Bei den Fahrzeugen der „öffentlichen Hüter“ hat die FIAT-Gruppe viel Boden verloren und mehr und mehr sind es deutsche Autos. Bei mir in der Gegend gibt es auch einen neuen 3er BMW SW der Polizia. Die Carabinieri, sofern nicht auf Allrad angewiesen, haben immer noch mehrheitlich FIATs und Alfas.
Zu FIAT und der Wahrnehmung der Gruppe ist zu sagen, dass sicherlich nicht Marchionne derjenige ist, der dieses Image verursacht hat, auch wenn er es nicht geschafft hat, ein positiveres Bild zu vermitteln. Es gibt dafür viele Gründe, von denen ich hier schon öfters einige genannt habe.
Zum einen wird FIAT gerne mit der „politischen“ Klasse der „Vor-Silvio-Zeit“ in Verbindung gebracht und Giovanni Agnellis „Vorliebe“ für eine politische Kaste ist bekannt. Dazu hat das alles auch eine „politische“ Komponente, aber hierfür müsste ich bei „Adam und Eva“ anfangen. Fakt ist, dass in Italien der 70er Jahre eine Art „Klassenkampf“ vorherrschte und dass dagegen die heutige „unruhige“ Zeit schon beinahe „paradiesische“ Zustände sind.
Die Agnellis haben FIAT – ich behaupte bewusst – ausbluten lassen. Dazu haben die Italiener das Gefühl, man habe mit den Steuergeldern für das „dolce vita“ der Agnellis gesorgt. Mit Staatshilfen hat man eine damals moderne Fabrik wie Chivasso platt gemacht, um in die „marode „Mafia-verseuchte“ Fabrik nahe Neapels die Produktion zu bringen, wofür man auch noch einmal Geld kassierte, weil die Norditaliener (Chivasso und später auch Arese) nicht etwa „entlassen“ wurden, sondern in „Kurzarbeit ohne Arbeitsstunden“ auf Kosten des Staates geschickt wurden.
Rechtsbeugung und auch nie eingehaltene Abmachungen mit Gewerkschaften zeichnet den Weg der FIAT-Gruppe und alles unter den Augen der Menschen.
Daher ist FIAT seit Jahrzehnten das „meistgehasste“ Unternehmen Italiens. Mir fällt kein anderes Unternehmen – nicht einmal Mediaset von Silvio – ein, das nur annährend so gehasst wird.
Marchionne nun hat nicht gerade zur Veränderung beigetragen. Die Leute misstrauen den FIAT-Verantwortlichen schon aus Prinzip und SM hat sicherlich auch seinen Teil geleistet, dass das Vertrauen nicht gestiegen ist, denn sein Versprechen in „Fabbrica Italiana“ zu investieren, wurde nur zum Teil gehalten (Pomigliano) und so sieht man in SM im Endeffekt genau das, was schon seine Vorgänger waren.
Dass man am Ende vielleicht den Ast absägt, auf den man sitzt, sehen viele nicht, aber das ist kein „italienisches“ Phänomen, sondern ist sicherlich auch in Deutschland, Frankreich und Co ähnlich.