Nun so komplett lag Francois ja nicht daneben, denn 2008/09 das Delta-Jahr, dann 2010 wäre ein „Deltina“ gekommen und für 2011 war der New Ypsilon geplant. Zuvor sollte ja auch ein Pangea (FIAT Sedici/Suzuki SX4) kommen.
Die Fehleranzahl kann man nicht beziffern, die fing praktisch mit der Übernahme Alfas an. Bis zu dem Zeitpunkt war es die Aufgabe Lancias, auch gegen Alfas anzutreten, halt „Alfa“ der FIAT-Gruppe, also „sportliche Premiummarke“. Mit der Übernahme Alfas aber bekam man ein Problem und im Laufe der Jahre bekam mit beiden Marken kein Bein zum Stehen. Der Niedergang Lancias fing in erster Linie mit dem Rückzug aus dem Rallyesport an. Man investierte das in die DTM, mit zweifelhaftem Erfolg, denn die Tourenwagen-Alfas lieferten in den folgenden Jahren nur auf italienischer Ebene für Erfolge, aber es ist nicht so, dass man Italien die Tourenwagenrennen wirklich einen so großen Bekanntheitsgrad hatte, wie es zu jener Zeit der Rallyesport hatte.
Dann fing man mit „Einsparungen“ an. Der Lybra war das beste Beispiel. Wie viel Bockmist die mit dem gebaut haben, geht unter keiner Kuhhaut. Der Lybra war schon fertig, als die Führung in Turin der Schlag traf. Innen qualitativ nicht eines Lancias für würdig empfunden, musste der Innenraum komplett überarbeitet werden und das Außendesign konnte man aus Kostengründen nicht mehr großartig verändern, denn bei der Vorstellung einer kleinen Publikumsgruppe fiel auch das Außendesign durch.
Völlig daneben, zuvor hatte man viele Jahre das C- und D-Segment „klassisch“ besetzt, auch wenn in Italien es eigentlich nicht diese Einteilung wirklich gibt, beide Segmente nennt man hier „berline“. Weil aber der Delta2 wohl hinter den Erwartungen blieb, glaubte man wohl, mit einem Modell auskommen zu können.
Über die Motorenpalette des Lybras rede ich schon besser gar nicht.
Beim Delta 3 dann sollte ein Fahrzeug, das auf Komponenten des C-Segments basierte, auch das D-Segment abdecken. Der Delta3 wurde somit deutlich länger, also ein „Crossover“ zweier Segmente.
Das Problem heute ist, dass Marchionne extrem unbeständig und vor allem ungeduldig ist. Wie er meint, funktioniert der Automobilmarkt nicht. Will man eine Marke etablieren, braucht man vor allem einen langen Atem. Wenn man bedenkt, wie lange VW brauchte, um Audi dorthin zu bekommen, wo die Marke heute steht und das als „halbes“ Staatsunternehmen, das in vielerlei Hinsicht auch des Medien „liebstes Kind“ ist, dann ist jede „sporadische“ Lösung, die nicht in einem Gesamtkonzept eingebettet ist, ein Rohrkrepierer, speziell wenn man die FCA-Struktur in Europa, speziell außerhalb Italiens sieht.
Du musst an vielen Fronten gleichzeitig kämpfen. Marchionne hat immer noch nicht begriffen, dass FCA-Fahrzeuge oberhalb einer bestimmten Preisgrenze sich nicht in großen Stückzahlen verkaufen lassen und das gilt ja selbst für Maserati. Also muss man erst ein Image aufbauen, das geht aber nicht, indem ich dann ein Produkt (siehe Giulia, Stelvio) anbiete, die preislich auf einem Level habe, um dann diese zu „Schleuderpreisen“ anzubieten (hier bekommst du bei der Giulia rund 9.000 Euro Rabatt, offiziell). Dann verkaufst du sicherlich ein paar Fahrzeuge mehr, aber man bleibt auf ewig dann ein „Low-cost-Brand“.
Mehr noch, wenn du, wie auch in der Vergangenheit, Marken wie Lancia als „Luxus“ sehen willst, aber dann auch den eigenen Gebrauchtwagenmarkt so führst, als verkaufe man FIAT Pandas, lässt die Lancias verrotten, anstatt diese richtig aufzubereiten, dann heißt das, dass man nicht kapieren kann oder will, dass man so auf längere Sicht keine Marke aufgebaut bekommt.
Es nützt nichts, wenn du das „beste Auto der Welt“ hast, aber dann eine Servicestruktur anbietest, die heute man nicht einmal mehr bei einem FIAT Panda akzeptieren würde.
Bei Alfa ist heuer genau das passiert, was ich vorhergesagt und vorhergesehen habe, nämlich dass die Giulia floppen würde und der Stelvio ist jetzt auch nicht unbedingt der absolute Renner. Nicht, weil die Produkte schlecht wären, im Gegenteil, aber da kommen wir wieder zum gleichen Problem, sobald ein Italiener über eine bestimmte preisliche Grenze hinausgeht, ist er nahezu "unverkäuflich", auch in Italien. Das heißt also, man braucht einen langen Atem.
Ich finde nur daran so kurios und witzig, dass Marchionne Lancia liquidiert hat, weil ein Aufbau "zu teuer" sei. Wenn ich mir die Stückzahlen der Giulia anschaue und die des Deltas, liegt die Giulia hinter dem Delta. Nun kostet die Giulia mehr als seinerzeit der Delta, aber wenn du dir einmal anschaust, wie kostspielig die Giulia de facto ist und mit was für einen Werbeaufwand sie begleitet wurde und wie mickrig die Delta-Werbung war (lassen wir einmal "Illuminati" beiseite, aber die hat FIAT nichts gekostet, weil man gleichzeitig für den Film Werbung machte) bzw, bei dem man überall eingespart hat, während man bei der Giulia aus den Vollen geschöpft hat.
Umgekehrte Frage, ob eine "Lancia Giulietta/Giulia/Stelvio" bei einem ähnlichen Werbebudget mit der Vielzahl an Neuentwicklungen, die man für die Alfas gemacht hat, in Lancia investiert hätte, wirklich "schlechter" abgeschnitten hätte? Wahrscheinlich wären die Zahlen vielleicht mehr oder minder ähnlich gewesen, aber daran allein sieht man, wie realitätsfremd man in Turin war bzw. wie stark es eine bestimmte Lobby in Turin gibt, die sich durchgesetzt aber, nicht nach "nüchterner" Analyse. Es war somit keine "rationale" sondern eher eine "emotionale" Entscheidung
