Nun ja, das hat "Tradition". Wir hatten ja, wenn vom Parteienprinzip ausgeht, eigentlich "stabilere" Verhältnisse als Deutschlands, nur dass halt die Regierungen fast immer über die "Oppositon" in den eigenen Reihen gestürzt wurden. Die "Mamma-DC", wie sie liebevoll immer noch genannt wird (also der italienische Part eurer ÖVP, der CDU/CASU), bestand aus vielen "correnti" (Parteiflügel), was an sich nichts Ungewöhnliches gibt, dass ja auch in anderen Ländern alle Parteien, zumindest ab einer bestimmten Größe, Flügel besitzen. Der Unterschied ist, dass es dann hier gleich 3,4, 5 oder wie viele auch immer, waren/sind.
So wurden ca. 40 Regierungen allein wegen "veränderter Machtverhältnisse" innerhalb der DC gestürzt, eben weil dann einige Flügel, die dich unterstützt hatten, zu anderen überwechselten, sich vielleicht neue bildeten, die sich von deinem Flügel abspalteten etc. Daher war das immer ein "Wechselspiel".
Das Problem der PD, wenn auch kurioserweise Renzi und Letta eigentlich vom gleichen Flügel kommen

, dass sie eigentlich ein "Zusammenschluss" einiger Parteien ist, speziell zweier großer Bewegungen, die ursprünglich "Todfeinde" waren, nämlich aus dem "linken" Flügel der ehemaligen DC (die als Margherita früher antrat, zu der Prodi, Renzi, Letta, Bindi etc. angehören) und eines Teils der ehemaligen PCI, also der "kommunistischen" Partei Italiens, zu der der Staatspräsident Napolitano gehört.
Aber Renzi ist das, was ich immer sage, "Silvio auf dem anderen Seite", der Bürgermeister von Florenz hat schon seit langem alles daran gesetzt, um MP zu werden. Er hat das wirklich "staatsstreichähnlich" vorbereitet gehabt.
Er hat bei der Präsidentenwahl zuerst die Leute aus den eigenen Reihen, die als Kandidaten für das Präsidentenamt galten und eigentlich hätten gewählt werden können, brüskiert und sie ins Lächerliche gezogen. Prodi war einer dieser "Opfer". Dann hat er alles daran getan, um um JEDEN Preis die Parteispitze zu erklimmen und spätestens da war klar, dass er auch Letta beiseite schieben würde, zumal er ja nun auch die wichtigste Regierungspartei unter Kontrolle hatte.
Letta ist smart, weniger "charismatisch", ein ruhiger Mann, für einen Italiener wiederum schon beinahe zu ruhig (anders als Renzi), zu "christlich" (auch wenn Renzi von der gleichen Seite kommt) und vor allem, weniger "machtgeil".
Er ist zum MP-Amt beinahe wie die "Jungfrau zum Kinde" gekommen und sein größtes Problem war, dass die Wahlen eigentlich ein Patt beschert hatten und somit er auf die Unterstützung von Silvio bauen musste, der dann gescheitert war und seinerseits eine Spaltung seiner Partei hinnehmen musste.
Renzi aber ist "machtgeil", für mich ist er ambig, also ein "typischer Vertreter" einer Politikerkaste, für die der Zweck die Mittel heiligt.
Was mich am meisten an ihm stört, ist seine Nähe zu Berlusconi. Während andere aus seiner Partei den wie der Teufel das Weihwasser fürchten und meiden, hat er sich sogar mit ihm zu einem Gespräch getroffen, eigentlich für viele, speziell vom linken Flügel der PD, für die Silvio "Staatsfeind Nr.1" ist, ein No Go!
Nun ist Renzi sehr populär und genau das hat er heuer ausgenutzt, denn wir haben die Europawahlen ja und eine Niederlage der "Regierungskoaliton" hätte sehr wahrscheinlich so oder so das Ende der Regierung Letta bedeutet.
Der große Zuspruch innerhalb der PD lässt also nur den Schluss zu, dass man wirklich befürchtet hatte, dass Letta spätestens in 6 Monaten in die Wüste geschickt worden wäre, also spann man lieber das Zugpferd vor den Karren.
Wie gesagt, Renzi ist sehr populär, ein Sieg bei der Europawahl könnte ihn in eine Position der Stärke bringen und er seinerseits Neuwahlen suchen oder zumindest damit drohen.
Sein Problem aber ist auch, dass er eben nicht den linken Parteiflügel brüskiert hat, sondern seien eigenen und Italiener sind extrem nachtragend. Sie vergessen nicht einmal in 30 Jahren

. Die Probleme des Landes sind immens, er hat den Mund extrem vollgenommen und nun ist er in der Bringerschuld.
Er muss nun Farbe bekennen und sollte es nicht so laufen, wie er sich das erhofft, wird er von seinem eigenen Flügel "gekillt", da bin ich mir beinahe sicher. Dann werden die Leute, denen er vor den Kopf gestoßen hat, die Messer wetzen und "Brutus" spielen.
Nun ja, jetzt ist er am Ziel seiner Träume, aber Florenz ist nicht Italien und Italien mit all seinen Widersprüchlichkeiten, Unterschieden, Mentalitäten, dazu mit Regionen, die von Südtirol bis "Afrika" reichen (Lampedusa gehört territorial eigentlich zu Afrika und nicht mehr zu Europa), ein schwieriges Unterfangen.
Mir war Letta "sympathisch", aber wie fast immer, wenn mir einer "sympathisch" ist, kannst du beinahe sicher sein, dass man den "köpfen" möchte und diejenigen, denen ich nicht einmal einen Cent anvertrauen würde, finden dann auf einmal jede Menge Fans.
Also warum sollte es diesmal anders sein? Renzi traue ich nicht über den Weg, Letta hätte ich sogar meinen Wagen anvertraut
