Ciao Dean,
wie in vielen Bereichen so unterliegt auch der Automobilbereich von gezielten Desinformationen, Halbwahrheiten und Lügen. Daher halte ich dieser scheinbare Wunsch VWs, Alfa zu bekommen, eher ins Reich der Fabel. Warum? Ganz einfach: VW hat selbst große Probleme. Fahrzeuge wie SEAT gewinnbringend!!!!!!!!!!!!!! an den Mann zu bringen und Spanien ist nicht Italien, somit ein ruhigeres Pflaster, wenn es um kostengünstigere Produktion geht. Wo wollte man denn den Alfa bauen? In Italien? Wo?
Was meinst du, was nach kurzer Zeit hier los wäre? SEAT produziert mehr als Alfa und Lancia zusammen und VW bekommt es nicht gebacken, die zu sanieren und ähnlich würde es mit Alfa auch laufen, spätestens wenn VW hier anfinge, den Arbeitern auf die Füße zu treten. Was meinst du, was dann hier für Sprüche kämen. Wir erinnern uns an die Geschichte
Und bei VW ist man nicht so dämlich, sich dessen nicht bewusst zu sein. Die wissen das ganz genau. Für mich ist es ein taktisches Strohfeuer, denn FIAT ist ein Konkurrent und würde FIAT komplett vom Markt verschwinden, wäre VW auf den Weg zur weltweiten Nummer 1.
Daher sehe ich das so: Entweder bei VW weiß man von Finanzlöchern bei FIAT, ergo der Notwendigkeit von FIAT aus, Alfa verkaufen zu müssen, oder aber sie wissen ganz genau, dass es keine solche Finanzengpässe gibt, dann wissen sie auch, dass FIAT auf keinem Fall Alfa VW überlassen würde. Ich als Manager würde Alfa eher einstanzen als einem Konkurrenten zu geben und VW ist gerade in Italien ein ernster Konkurrent.
Auch frage ich mich, ob es den "Alfisti" bewusst ist, dass VWs Herz für Audi schlägt, schleßlich ist VW Deutsch, AUDI auch und somit näher als Alfa. Man hat Audi gerade das Image von Premium und Sportlichkeit verpasst. Wo will man dann mit Alfa hin? Vielleicht verkappte Audis im Kleinwagensektor? Oder glaubt wirklich ein Alfista, dass VW sich Konkurrenz im eigenen Haus machen möchte?
Eins finde ich an deiner Aussage etwas irritierend, nämlich dass du FIAT vorwirst, EKs bzw. Vorstellungen zu machen, denn normalerweise jammern ALLE, dass von der FIAT-Gruppe NICHTS zu sehen ist, während die Konkurrenz komplett Autos am laufenden Band vorstellt, EKs überall zu sehen sind etc. etc. etc., während man bei den Italienern das Gefühl hat, überhaupt nichts an Fahrzeugen im Umlauf zu haben.
Ein Weiteres möchte ich einwänden, unabhängig davon, ob man nun die Stratgie für richtig oder falsch hält, ob man der skeptisch gegenübersteht oder nicht:
Wir schrauben das alles auf das Jahr 2005 zurück, wichtig, denn sonst verstehen wir hier nichts mehr: FIAT hat über viele Jahre in JEDEM Quartal teilweise heftige Verluste eingefahren. FIAT steht vor dem finanziellen Bankrott. Aus Kostengründen (oder wie ich behaupte, aus Gründen, Geld aus FIAT herauszuziehen, um diese Gelder auch vielleicht auf "Schweizer Konten" verschwinden zu lassen) wurden fast alle Entwicklungen eingestellt. Benziner wurden überhaupt nicht mehr entwickelt, lediglich die MultiAir-Technik, wobei man die Entwicklung der Common Rail-Technik an Bosch verscherbelt hat und als Dankeschön dafür dann lauter Bosch-Schrott günstig einkaufen durfte.
Auch in technischer Hinsicht gab es keine wirkliche Entwicklung, für nichts war Geld da. Damit nicht genug: Du kommst aus einem Land der Banken und weißt, wenn jemand "Junk food" ist, ist die Wahrscheinlichkeit, sich günstig Geld am Kapitalmarkt zu besorgen gleich zero.
Das ist das Szenario, nicht vor 10 oder 20 Jahren, sondern vor 5 Jahren!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Aber Autos zu entwickeln, kostet Geld und vor allem auch Zeit, beides war aber nicht vorhanden. Um wenigstens FIAT vor der Pleite zu retten und am Leben zu erhalten, entschied man sich GEGEN das, was die Kapitalmärkte und die Fachleute erwarteten, nämlich, dass FIAT nicht ausgeschlachtet würde werden, eventuell verkauft, sondern weiterhin in italienischen Händen blieb. Mit dem Verkauf von "Tafelsilber" und mit der Entschädigungszahlung von GM leitete man das ein, was wir in den letzten Jahren zu sehen bekamen.
Das Problem ist, dass nicht allein FIAT ein riesiges Problem hatte, sondern Alfa und besonders Lancia, das von der Finanzkrise FIATs am meisten gelitten hat (das sind nicht meine Worte, aber ich glaube, dem können wir Lancisti zustimmen, denn Alfa konnte sich wenigstens ein komplettes Programm erlauben, Lancia nicht einmal das).
Also stand man vor der Problematik, praktisch alles aus dem Boden zu stanzen (schau dir nur das "Infotainment" vom Delta an und du weißt, wie viel Zeit FIAT praktisch keine Entwicklung betrieb und nun nur sehr mühevoll versucht, Anschluss zu erlangen), aber da nicht wirklich Geld in den Kassen, gab es die Strategie, jedes Auto müsse sich selbst tragen und müsse für die nächste Generation schaffen.
Dazu wollte man die PSA-Gruppe als Vorbild nehmen, die eigentlich nicht wirklich etwas Eigenes produziert, sondern im Endeffekt mit vielen Herstellern kooperiert und mit denen Fahrzeuge herstellt (man kopiert wie wild. Mittlerweile hat man scheinbar Renault entdeckt, die man auch noch kopiert- schau dir die Heckleuchten des neuen C4

)
FIAT konnte den von dir genannten FIAT 500 NICHT bauen. Warum? KEIN GELD!!!!!!, keiner, der dir Kredite gibt, also wurde der FIAT 500 erst gebaut, als man FORD mit dem Ford Ka ins Boot holen konnte. Wenn du dich vielleicht erinnerst, hat Marchionne versucht, die Bravo-Plattform auch anderen anzubieten.
Am Anfang war auch ein FIAT Grande Punto CC geplant, aber NUR, wenn die Verkaufszahlen besser als geplant geworden wären, aber die Wirklichkeit war leider eine andere. Während Europa Corsas selbst einem marodem Unternehmen wie Opel abkauft, blieben die Verkaufszahlen des GP hinter den geplanten Stückzahlen, die mit 360.000 angegeben waren (nur im ersten Jahr kratzte man an dieser Zahl, danach sah man die nie wieder).
Geplant war auch ein Bravo SW, wie du sicherlich weißt, aber als "Erbe" hatte man den Croma übernommen und ein Bravo SW wäre des Cromas entgültiger Tod gewesen. Also machte man kurzerhand aus dem Croma einen "verkappten" Bravo SW.
Diese Strategie aber, mit anderen Herstellern Kooperationen einzugehen, hat sich als schwieriger erwiesen, als man es sich wahrscheinlich erhofft hatte. Warum kann ich dir nicht sagen. Vielleicht ist es allein der Ruf Italiens und von uns Italienern, vielleicht auch weil der eine oder andere Konkurrent sich eine Pleite von FIAT wünscht, vielleicht von allem etwas.
Die Versuche, mit Mercedes und BMW Kooperationen einzugehen, hat sich, wenn wir einmal von Mercedes und Iveco absehen, als erfolgreich erwiesen und das, obwohl Marchionne mit dem Mercedes-Chef eng befreundet sein soll.
Das also war das Szenario, das sich vor der Chrysler-Geschichte, darstellte. Da man also sich sehr schwer tat, mit anderen zu kooperieren, kam die Gelegenheit mit Chrysler, die sich aufgrund der weltweiten Finanzkrise und somit auch der Automobilkrise in den USA, auftat.
Das heißt also, dass man nach "Rinascimento" der Gruppe das Programm erneut ändern muss, die Strategie komplett neu ausgerichtet werden muss.
Wir dürfen VW nicht als Maßstab sehen, denn VW präsentiert Deutschland. Wer im Ausland VW fährt, fährt "Deutschland", so in seinem Glauben. VW ist in Italien mehr als Premium, beinahe eine Mischung aus Ferrari und Rolls Royce. Damit kann man nicht konkurrieren, aber es ist nicht so, dass nun alle Unternehmen in Deutschland voll aufblühen. Opel stand und steht immer noch mit dem Rücken zur Wand und FORD ist immer noch nicht komplett über dem Berg, musste dafür wie GM kräftig abspecken. Die PSA-Gruppe und Renault überleben dank staatlicher Unterstützungen, sonst würde es auch bei denen düsterer aussehen.
Daher sehe ich es aus einem anderen Blickwinkel, auch wenn man hier versucht, alles in einem Topf zu werfen. Man kann über Marchionnes Strategie streiten, vieles als fragwürdig ansehen (ob man mit Chrysler gut beraten ist, wird die Zukunft zeigen), aber die Situation von vor 2005 hat die Problematik, wie sie heute sich darstellt, erst erzeugt. Marchionne hat versucht, erst einmal die Finanzen bei FIAT in Ordnung zu bringen, denn so, wie es vorher war, ging es nicht mehr weiter.
Der Rest war wie vom Hand in den Mund leben. Jetzt muss man die Geduld haben. Das ist so. Du weißt, dass Marchionne nicht alles "gebremst" hat. Er hat den T-Jet forciert, die Kommerzialisierung des Bravos vorgezogen, weil der Stilo trotz ähnlicher Verkaufszahlen wie der Bravo hohe Defizite einfuhr und auch der Delta wurde in Rekordzeit auf die Beine gestellt. Aber die Umstrukturierung, wie sie wegen Chrysler nun einmal vorgenommen wurde, bedeutet, dass man für alles halt Zeit braucht und du weißt, dass eine komplette Neukonstruktion rund 36 Monate braucht, ein Fahrzeug, das wie der Bravo oder Delta entstanden ist, ca. 18-24 Monate. Wenn du dann das alles auch noch so organisieren willst, dass es funktioniert, vergeht noch einmal locker mindestens 1 Jahr.
Man kann das mit Chrysler als "Fehler" ansehen, aber wenn dieser Weg beschritten wird, dann muss man mit den Zeiten vorlieb nehmen, die nun im Raum stehen.
Noch eines zur Wahrnehmung: Bei VW nimmt man in erster Linie VW und Audi wahr. Man weiß, dass Skoda gut verkauft (dank der Tatsache, dass die Osteuropäer damit a) ein osteuropäisches Auto haben und b) VW auch dort einen bestimmten Ruf genießt, aber ob ihr Programm nun wirklich "perfekt" ist, nehmen die wenigsten wirklich wahr, ähnlich wie bei SEAT.
Bei FIAT nehmen wir aber Lancia (als Lancisti besonders) und Alfa (als Alfisti natürlich auch) wahr. Es hat eine andere Gewichtung.
Zurück zu FIAT an sich und was ich von alledem halte: Solange wir Italiener nicht anfangen, unsere Mentalitä etwas zu ändern, weniger Berlusconismo und mehr Realismus, solange wir mehr als "griffato" achten (ein Skoda bekommst du in Italien nicht an den Mann, weil halt Skoda draufsteht und nicht VW), solange wir uns Diskussionen wie in Pomigliano erlauben und meinen, Italien sei das einzige Land der Erde, wird sich an der aktuellen Situation kaum etwas ändern
Tanti saluti
Bernardo