Ciao Silvan,
ihr habt es gut, wahrscheinlich geht Marchionne mit ein paar Schweizern noch einen trinken

, wenn er einmal bei sich zuhause ist. Nun könnte man über Italien eine Bibliothek schreiben und Italien wäre immer noch nicht beschrieben. Ja, es gibt ein Nord-Südgefälle bezüglich Autowahl. Deutsche Autos stehen ja nicht nur für Auto, sondern für, was sie verkörpern, nämlich Reichtum. Für Italiener war es immer atemberaubend, wenn sie nach Deutschland kamen, so viele große Limos zu sehen, während man in Italien mit FIAT Panda unterwegs war (die Vorstellung, jeder Deutsche hat eine Villa samt dickes Auto).
FIAT repräsentiert auch ein anderes Italien, von dem man sich optisch lösen will, auch wenn ich manchmal den Eindruck habe, dass ein neuer Lack noch keinen neuen Inhalt ausmacht.
Autos waren in Italien auch immer eigentlich ein Gebrauchsgegenstand (warum wohl wurden die meisten italienischen Coupés im Ausland verkauft, genauso die Cabrios, während in Italien nur wenige davon zu sehen waren?). Dass im Ausland so viele Fans alter italienischer Autos gibt, ist für einen Durchschnittsitaliener völlig unbegreiflich. Er fuhr auch früher sein Auto so viele Jahre, nicht weil er Oldtimer liebte, sondern weil es für ihn die billigste Lösung war, Auto zu fahren . Nicht umsonst fahren hier immer noch alte Panda 4x4 herum.
Mitte der 80er und vor allem in den 90er Jahren veränderte sich das Kaufverhalten. Bis zu dem Zeitpunkt war Familie und Eigenheim wichtiger als alles andere, das Auto eine Notwendigkeit.
Wie sagte mir einmal eine Kollegin: Wir fuhren FIAT, aber träumten von Mercedes. Irgendwann kam der Tag, dass eine neue Generation heranwuchs, für die Mode wichtig wurde, wichtig der Name. In keinem Land ist der "Markenname" so wichtig wie in Italien. Es kann ein Stück Mist sein, wenn aber Markenname steht, kauft man es blind. Ist etwas qualitativ hohwertiger, aber ohne modischen Markennamen, will es keiner haben.
Golf ist für Italiener, vor allem für die Jugend "Kultauto", genauso wie "Mini" oder "Smart". Wer "Smart" fährt, fährt einen Mercedes, ist etwas Besonderes, demonstriert, schaut her, ich habe Geld, ihr seid arme Schlucker und die gesamte FIAT-Gruppe steht für "Müll und Armut". Der Mini ist ein BMW, ergo wer Mini fährt, hat Geld oder reiche Eltern, ist "in". Einzig Alfa rettet sich vom Image her ein wenig, aber die, die Alfas lieben, haben in der Regel kein Geld und die Geld haben, kaufen sich "Made in Germany". Das ist das Dilemma.
Schau, wenn Frau Merkel mit Renault unterwegs wäre oder Sarkozy mit einem Mercedes, bräuchten beide nicht mehr zur Wahl antreten, sie hätten sie schon verloren. Mehr noch, die würde man als "Vaterlandsverräter" (Nationalisten), als "Jobkiller" (Arbeiterverbände) bezeichnen.
Bei uns ist das anders. Man kauft sich halt ein Auto, wie unser großer "Meister Silvio" fährt, egal ob Schrott, oder alt, wichtig die Marke, weil ich dann auch mich als "kleiner Silvio" fühlen kann, also "in" bin.
Das ist leider die Mentalität vieler meiner Landsleute und darin liegen viele der Gründe für den Kauf ausländischer Fahrzeuge. Wenn selbst für uns Renault oder die PSA-Gruppe "erheblich besser" sind, als Lancia oder Alfa, braucht man sich nicht zu wundern, wenn es sehr schwer ist, Autos an den Mann zu bringen.
Die schlechte Info-Politik tut ein Übriges, hat aber auch seinen Grund darin, dass man beispielsweise nicht annimmt, dass irgendein Italiener sich einen 1,8 Turbojet zulegen wird. Ich wette meinen Kopf, dass VW mehr Golf GTIs in Italien an den Mann bringt, als Lancia an Delta 1,8 Turbojet, 1,9 Biturbo und FIAT Bravo Sport (T-Jet, 2,0 Multijet) zusammen, aber das war schon immer so, nur das die Leute heute viel mehr Geld haben, ergo mehr Leute sich einen Top-Golf leisten können.
Schau, fast alle verkauften Deltas in Italien haben der 1,6 Multijet-Diesel (also Basis-Motor) und der Bravo verkaufte sich erst, als man diesen Motor in ihn einbaute. VW verkauft vor allem die größeren Motoren im Golf und der durchschnittliche Autokäufer deutscher Autos legt erheblich mehr Geld für Zusatzausstattung als er jemals bereit wäre, für einen Italiener zuzukaufen. (BMW 330d oder 530d, Audi A 3 fast nur 2,0 Tdi, Audi A 4 und A 6, fast alle mittleweile mit 3,0 Tdi) Es ist schon ein Wunder, dass beim Delta die Platino-Variante so einen Zulauf hat, denn in der Regel sind es die Basisversionen der Italiener, die sich verkaufen.
Daher steht es bei Lancia zurzeit nicht an erster Stelle, Infos herauszugeben, die sich mit dem Turbojet beschäftigen, sondern die sich damit beschäftigen, welche Deltas und welche Lancias nun in den Genuss der Abwrackprämie gelangen. Das hat absolute Priorität und ich denke mir, dass auch die Händler eine "Teilschuld" trifft, weil auch sie wenig Interesse haben, Druck auszuüben, weil sie darin keine Notwenigkeit sehen, für ein zwei Kunden mehr so einen Aufwand zu betreiben.
Du hast aber auch Recht, dass man auch früher gute Autos baute, aber das Verkaufen vergaß (wer in Deutschland kannte einen Ritmo 105 TC? Kaum einer, einen GTI jeder kleiner Junge). Marchionne sagte denn auch, es reicht nicht aus, gute Autos zu bauen, sondern sie auch an den Mann zu bringen, aber eine Mentalität kannst du nicht von heute auf morgen ändern und auch er ist in politische Verhältnisse hier eingebunden. Das sieht man auch an den Äußerungen, die er in Genf von sich gab. Für einen Italiener, der zwischen den Zeilen liest, war die Kritik und die Problematik mehr als offen geäußert. Er lobte zwar die Regierung für "ihre Anstrengung", aber beschuldigte sie, ohne sie direkt beim Namen zu nennen, zu wenig bei der EU zu tun, um beispielsweise einen Sarkozy-Alleingang in Punkto Staatshilfe zu verhindern. Genauso mit Pomigliano. Er wolle weiterhin daran festhalten (logisch, dass er das sagt, aber in Italien ist es immer wichtig, was nach dem Komma kommt), aber es gibt dort eine "Vielzahl von ungelösten" Problemen.
Was so viel heißt, ich wäre dort lieber gestern als morgen weg, aber ich darf nicht... (die Probleme dort sind allseits bekannt und lässt sich auf einen Namen reduzieren: Camorra).
Un saluto
Bernardo