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milliardeninvestition-in-turin?
Posted: 29 Nov 2010, 07:09
by Helmut F.
http://www.autohaus.de/fiat-und-chrysle ... 90494.html
SM tanzt auf so vielen Hochzeiten gleichzeitig, kann das gutgehen? 20 Milliarden sind kein "Pappenstiel"
Die italienischen Gewerkschaften haben anscheinend noch nicht begriffen, dass es nicht um sie, sondern um den Autostandort Italien grundsätzlich geht.
Gruß Helmut
Re: milliardeninvestition-in-turin?
Posted: 29 Nov 2010, 15:22
by lanciadelta64
Nun die Sache ist komplizierter als viele denken und vor allem hat es etwas mit Italien, mit der Geschichte, mit den USA, mit der democrazia bloccata, mit den Geheimdiensten der halben Welt, mit Regierungen und Oppositionsparteien, die oft ein Spielchen der eigenen Interessen spielten, mal in der Hand einer Weltmacht, mal in der Hand einer anderen. Dieses Erbe tragen wir mit uns und Silvio ist ein Kind, nicht der Erfinder dessen.
FIAT auf der einen und die Gewerkschaften auf der anderen waren immer ein Teil des Ganzen, nicht selten mit gewalttätigen Auseinandersetzungen, Sabotagen, Umgehen von Gerichtsurteilen durch Faktenschaffen, wie es FIAT gemacht hat usw. usw. usw.
Dazu kommt dann eine aktuelle Regierung, die es geschafft hat, ein bestimmtes Ministerium, das für die aktuelle Diskussion zwischen FIAT und Gewerkschaften zuständig ist, für 6 Monate nicht zu belegen, wenn wir einmal von der Verwaltung des Ministeriums durch Silvio absehen, der aber damit beschäftigt war, sich von Escort-Damen verwöhnen zu lassen.
Marchionne sind diese Dinge fremd, er ist in jungen Jahren mit seinen Eltern nach Kanada ausgewandert (er hat auch einen kanadischen Pass) und er hat diesen Teil der italienischen Geschichte, die Problematik zwischen FIAT und der italienischen Politik (Democrazia Cristiana, Craxi und Co) einerseits und den Gewerkschaften und der Gesellschaft andererseits.
Er hat nicht miterlebt, wie man wild die Fabriken bestreikt hat, wie es in den 70er Jahren zu gewalttätigen Übergriffen gab. Er hat nicht erlebt, dass die Agnellis sich vom Staat geben ließen, um im Nachhinein das Unternehmen zu ruinieren, um wieder das Geld zu kassieren, um das wieder in die eigenen Taschen zu stecken. Er hat es nicht erlebt, dass man Fabriken wie Chivasso nicht aus reinem ökonomischen Interesse des Unternehmens geschlossen hat und am Tag, als ein Gericht die Vollstreckung angeordnet hatte, die Arbeiter wieder in Chivasso in Arbeit zu setzen, dass Planierraupen die Fabrik dem Erdbogen gleichgemacht haben, damit man derart vor vollendeten Tatsachen gestanden hat, dass kein Arbeiter mehr dort den Fuß reinsetzen konnte.
Wie unsinnig das Ganze war, sieht man daran, dass Chivasso damals eines der effezientesten Fabriken der FIAT-Gruppe war, modern sowieso und welche Probleme es mit Pomigliano hatte, die Teile der Produktion übernommen hatten (der Delta2 wurde in Pomigliano hergestellt)
Daher ist es hier mehr als nur eine "Meinungsverschiedenheit" zwischen einem Unternehmen einerseits und der "Arbeiterschaft" andereresits. Es geht um tiefes Misstrauen allerseits. Es geht um Ängste, um Dominoeffekte und auch um Garantien und mittendrin eine Regierungsseite, die den Leuten einredet, wie toll doch alles ist, wie gut Italien dasteht und einer Gewerkschaft, die hier auch Politik gegen Rom betreibt und auch um ihre Macht zu stärken.
Es ist also viel komplizierter, als man das nun hier richtig ausdiskutieren könnte. Wie gesagt, im katholischen Land hat der Regierungschef die Rolle des Papstes übernommen und allen ein Paradies versprochen und es ist schöner zu leben, schlecht zu stehen, aber beweihräuchert zu sein, als schlecht zu stehen und das auch noch zu begreifen.
Dass es widersprüchlich ist, ist ein anderes Thema, denn einerseits soll FIAT Autos bauen, ohne Ende, andererseits kaufen die Leute sich lieber Autos aus dem Ausland, weil das gut zum eigenen Image passt. Da jammern die Arbeiter, FIAT solle gefälligst die Leute nicht in Kurzarbeit stecken, aber fahren gleichzeitig zum Streik mit Audis, Golfs etc. vor.
Marchionne will eigentlich nur drei Dinge: 1) mehr Flexibilität der Arbeiter, ergo mehr Schichten fahren (wäre in anderen Ländern eh kein Diskussionsstoff) 2) er will Leute, die Sabotageakte verüben oder dazu aufrufen, ohne Probleme entfernen können und 3) Streiks verhindern, die gemacht werden, nur weil man vielleicht gerade ein Fußballspiel sehen will, wie noch vor wenigen Wochen in Imerese passiert ist.
Die Gewerkschaften (es sind mehrere) bzw. die Arbeiterschaft (abseits des politischen Interesses der CIGL-FIOM, die in oppositionellen Händen ist) trauen ihrerseits den Versprechungen nicht. Sie befürchten, dass es ihnen so ergeht, wie sooft, dass Versprechungen gemacht werden (egal, ob nun schriftlich oder nicht, das ist kein Hindernisgrund), die nicht eingehalten werden. Sie haben Angst, dass es zu einem Domino-Effekt kommt, also heute Pomigliano, morgen Mirafiori und übermorgen der Rest Italiens, sprich Arbeiterinteressen Stück für Stück demontiert werden.
Kurz: Marchionne möchte den Vertrag von Pomigliano auf Mirafiori ausgeweitet sehen, die Gewerkschaften wollen davon überhaupt nichts wissen.
Re: milliardeninvestition-in-turin?
Posted: 29 Nov 2010, 15:47
by Delta LX
Produktionsort für den Delta II (836) war m.W. nicht Pomigliano d'Arco, sondern Rivalta bei Turin. Dort entstand dieses Modell zusammen mit dem Dedra (835). In Pomigliano produzierte Fiat Auto zu jener Zeit hingegen Alfa Romeo 155, 145, 146.
Re: milliardeninvestition-in-turin?
Posted: 29 Nov 2010, 16:22
by lanciadelta64
Du irrst dich, der Delta 2 wurde auf jeden Fall in Pomigliano d´Arco gebaut. Dazu hier die Fabrik in jener Zeit: "Stabilimento Alfa-Lancia di Pomigliano d'Arco", also "Alfa-Lancia-Fabrik".
http://giuseppepesce.files.wordpress.co ... e_alfa.pdf Schau auf Seite 39 (pdf-Seite 9). Da wird der Delta 2 unter den Fahrzeugen gelistet, die dort hergestellt wurden.
Die italienische Autozeitung "Quattroruote" nannte den Delta 2 in Anspielung an "Alfasud" Lanciasud.
Re: milliardeninvestition-in-turin?
Posted: 29 Nov 2010, 17:15
by Delta LX
Hier existieren nicht nur Widersprüche hinsichtlich des Delta 836, sondern auch des Y10 156. Mein Delta, Jahrgang 1996, entstand bestätigt in Rivalta. Kommt hinzu, dass Lancia-Händler hier in meiner Region übereinstimmend von Werksbesuchen in Rivalta berichteten, wo sie nicht nur die Delta- und Dedra-Produktion, sondern auch jene des Kappa verfolgen konnten.
Was den Y10 angeht, so plante die damalige Konzerneinheit Alfa-Lancia Industriale S.p.A. ursprünglich eine Fertigung in Pomigliano, siedelte diese dann doch bei Alfa Nord in Arese an, nachdem man beschlossen hatte, das Autobianchi-Werk in Desio (MI) aufzugeben.
Re: milliardeninvestition-in-turin?
Posted: 29 Nov 2010, 18:47
by Norbert
Hallo bernardo,
genau das ist sie, die italienische Schizophrenie in Sachen Auto im allgemeinen und betreffend FIAT-Produkte im besonderen: Einerseits verachtet bzw. mißtraut man FIAT und seinen PKW, andererseits plakatiert und agitiert man auf sonstige Weise sogar in touristischen Zentren gegen S.M. und die Regierung, sobald diese auch nur den Anschein erwecken, in "wohlerworbene Rechte der Arbeiterschaft" eingreifen zu wollen - dabei verlangt das Management m. E. nicht mehr als etwas ganz Selbstverständliches, nämlich mehr Flexibilität auf Seiten der Arbeitnehmer hinsichtlich der Arbeitszeiten und ganz allgemein etwas mehr Identifizierung mit den Zielen des Unternehmens (Stichwort: Fußball-Übertragung).
Nach den Eindrücken, die ich im Oktober sammeln konnte, gilt es insbesondere in Nord- und Mittelitalien gilt als ausgesprochen chic, einen Golf, Audi oder einen gar Ebbe-Emme-Doppiovu zu steuern; daß deutsche Urlauber im (eigenen, nicht gemieteten!) Punto, Lybra oder Delta anreisen, nehmen die "Eingeborenen" erst einmal mit respektvollem Erstaunen zur Kenntnis; erfahren sie im weiteren Verlauf des Gesprächs, daß es nicht finanzielle Gründe sind, aus denen man sich wieder einmal gegen ein deutsches "Premium"-Modell ähnlichen Alters, Leistungsniveaus etc. entschieden hat, fällt es ihnen erkennbar schwer zu erklären, warum man in Italien FIAT, Lancia und Alfa schon seit längerem nicht mehr so richtig "schätzt"... Ein solches Verhalten ähnelt dem deutscher Verbraucher, die in den vergangenen 25 Jahren mehr und mehr zu japanischer und koreanischer Unterhaltungselektronik für ihr Wohnzimmer gegriffen und sich dann darüber gewundert haben, daß deutsche Marken von Weltruf wieetwa Grundig - früher eine Größe auch auf dem Markt für Autoradios, siehe Lybra - heute praktisch tot sind.
Aber: Suum cuique (Cato d. Ä.).
Viva Lancia!
Norbert
Norbert
Re: milliardeninvestition-in-turin?
Posted: 29 Nov 2010, 19:11
by lanciadelta64
Ciao Norbert,
ich habe mich schon immer für meine italienischen Autos beinahe rechtfertigen müssen. Schon mit meinem ersten Ritmo 105TC - und wir reden hier von Anfang der 80er Jahre, also von einer Zeit, in der FIAT schon alleine als Brand den Markt beherrschte.
Als ich dann für immer nach Italien Anfang der 90er Jahre kam, sagte mir meine Kollegin, als ich ihr auf so einem Spruch erwiderte, "ihr fahrt doch auch alle FIAT und Co", "ja, aber wir träumen von BMW und Mercedes, fahren aber FIAT". Ein Grund ist natürlich, dass es in Italien eine Luxussteuer gab und somit Fahrzeuge wie der Thema oder Croma mit ihren 2-Liter-Turbomotoren im Endeffekt "Billigschrott" war, oder anders ausgedrückt, etwas, was man sich vielleicht leisten konnte, aber die deutschen Hersteller mit ihren Motoren oft jenseits der 2-Liter-Marke einfach unerreichbar blieben.
VW wiederum hat in Italien sich den Ruf durch "Null-Service", also mit Arroganz erkauft, also etwas, nicht von dieser Welt, hoch oben. Als ich bei der Präsentation des Golf3 bei dem VW/Audi-Händler der Provinz war, durftest du das Auto auf einem Podest nur anschauen, nicht berühren und als ich wagte, den Tankdeckel, der ein enormes Spiel hatte, "auszuprobieren", bekam ich gleich die Anweisung zu gehen, "so etwas tut man nicht, das ist kein Auto für Normalsterbliche".
Diese Art kam an, also wem wundert es, dazu ist der Volksglaube, dass der Staat FIAT bereichert hat.
Zurück zum "verklärten" Blick. Vor einigen Jahren war ich mit meiner damaligen Lebensgefährtin mit ihrem verrosteten schon alterschwachen Opel Astra SW, als die Besitzerin der Herberge meiner Ex viele Komplimente über "das schöne Auto" machte.
Sie fühlte sich irgendwie auf den Arm genommen, denn der Wagen war wie gesagt, "alterschach" und "wenig geliebt", aber die Wahrheit ist, die Besitzerin hat es wirklich aus Überzeugung gesagt, denn das konnte ich merken und was für meine Lebensgefährtin unglaublich war, war für mich "normal".
Ich glaube, das sagt schon alles.
Es ist halt so, ein deutsches Auto zu haben ist ein "Status Symbol", "man ist wer", wobei man Fahrzeuge zum "Status Symbol" erhoben hat, die in Deutschland eher Mitleid erzeugen würden. Frage einmal einen Smart-Fahrer, was er dir sagt? Egal, ob der Motor mit 80.000 Km den Geist aufgibt, es ist ein "Baby-Merceds" oder ein Mini, ein Mini ist nicht einfach ein Mini, sondern ein Baby-Bi emme vu, also ein "kleiner BMW".
Ein Golf, der in Deutschland so etwas wie ein FIAT Punto in Italien ist, ist hier eine Mischung aus Bentley, Rolls Royce und Lamborghini und das sieht man auch bei den Wahlen zum Auto des Jahres. Als der Insignia Auto des Jahres wurde, nahm auch der Golf teil.
Die italienische Jury hatte den Golf auf Platz 1 (alle Bewerter).
Aber "wir" Italiener sind halt so. Würde eine Merkel mit einem Citroen oder Renault fahren, ein Sarkozy mit einem BMW oder Audi, sie bräuchten allein deswegen nicht mehr zur Wahl antreten und am besten gleich auswandern.
Wir Italiener machen das anders. Unser Regierungschef fährt Audi? Also wollen wir auch Audi haben, so einfach ist das

Re: milliardeninvestition-in-turin?
Posted: 30 Nov 2010, 07:20
by Helmut F.
Hallo Bernardo,
das hört sich an, wie wenn Du Deine Landsleute in Sachen Auto bereits aufgegeben hast....
Mich bestätigen die Aussagen hier in meiner Vermutung, dass alles was von nördlich der Alpen kommt,
nur "besonders gut" sein kann.
Die verwunderten Blicke, wenn ich mit einem italienischem Auto hier im Urlaub oder auch beruflich Unterwegs bin,
auch die Aussagen: was, sie fahren einen Italiener?? bestätigen, dass die Wertschätzung nicht besonders groß ist.
Ich muss mich ja da regelmäßig rechtfertigen, erst neulich wieder in Bozano...
Dass die italienische Regierung mit Audi unterwegs ist, kann ich auch nicht verstehen, aber dass unsere italienischen Freunde nicht begreifen, dass an jedem Arbeitsplatz in der Autoindustrie noch weiter 10 St. hinten dran hängen, sollte jeder wissen, auch die Gewerkschaften.(td)
Über solche Banausen könnte ich mich aufregen?tt?
Gruß Helmut
PS. Keine muss sich meiner Meinung anschließen, aber
so Typen wie B,..... kann ich absolut nicht leiden.... .......ich fahre C + M..!!!