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Marchionne in Kritik

Posted: 24 Feb 2010, 10:57
by Siegi
Hallo Bernardo,
in der SZ war gestern ein Artikel über Marchionne, der angeblich in Italien stark an Ansehen verloren hat. Ursprünglich wurde er gefeiert nun hat sich das Blatt gewendet. Man wirft ihm vor, auch seitens der Politik, rigoros auf Wirtschaftlichkeit zu achten u. ohne Italienblick ausländische Produktionsstätten zu bevorzugen. Pessimisten sehen sogar, dass Fiat gar nicht mehr in Italien produziert.
Ungewiss ist auch noch der weitere Verlauf mit Chrysler u. die damit verbundenen Folgen.
Das wäre normal richtig! Da müssen sich die Regierung u. die Gewerkschaften bewegen!
Weißt Du etwas mehr?
ciao Siegi

Re: Marchionne in Kritik

Posted: 24 Feb 2010, 13:09
by lanciadelta64
Hallo Siegi,

Marchionne führt das meistgehasste Unternehmen Italiens, er ist gegen Berlusconi und Co, will Termini Imerese schließen, hat Leistungsstandard eingeführt und zumindest den italienischen Arbeitern der Autoindustrie die Leviten gelesen. Er hat Berlusconis Minister als "Idioten" dastehen lassen und auch wenn sie es wirklich sind, so ist das natürlich sehr gefährlich, wenn dieser Minister zu einem Regierungschef gehört, der wohl als der meistgeliebte Ministerpräsident des Nachkriegsitaliens gilt. Dazu hat Marchionne, eben weil nicht in Italien aufgewachsen, sondern in Kanada, einige "Eigenarten" an sich, nämlich oft die Dinge klar beim Namen zu nenhnen und dann hat er gegen ein Prinzip verstoßen, nämlich als Unternehmer nie gegen die herrschende Regierung zu sein, es sei denn, man weiß, dass die Regierung sehr bald stürzt. Deswegen galten die Agnellis lange als "Politbarometer", die einen sicheren Instinkt für bervorstehende Wahlen hatten. Marchionne aber kümmert sich nicht um solche Dinge und das macht ihn zum Buhmann, besonders wenn man weiß, dass der Ministerpräsident 3 eigene Sender hat, dazu weitere 3 als Regierungschef kontrollieren kann, einmal abgesehen von der Kontrolle von Tageszeitungen etc.

Das sagt eigentlich alles über die Beliebtheit eines Marchionnes aus. Was in Deutschland nicht einmal eine Notiz wert wäre, bringt in Italien ein Durcheinander, denn wenn man bedenkt, wie viel die deutschen Hersteller im Ausland produzieren (sogar Porsche Cayenne wird im "Billiglohnland" hergestellt), wie niedrig die tatsächliche Produktivität der italienischen Standorte, speziell der süditalienischen, die für mich - und nicht nur für mich - geschlossen sein müssten.

Kurz, Marchionne hat sich die Gewerkschaften zum Feind gemacht (was nicht verwunderlich, denn FIAT und Gewerkschaften, das hat schon immer zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt) und natürlich auch die Regierung und hier ist er nun Marchionne "Superman", Kampf gegen "alle", aber wer ihn kennt, weiß, dass es ihm nicht die "Bohne" interessiert.

Zu Chrysler und Co kann ich wenig sagen, denn ich bin mit Sicherheit einer, der dieses Bündnis sehr skeptisch betrachtet hat, aber es ist viel zu früh, um hier ein Urteil abzugeben. Bisher läuft alles nach "Plan" und auch die "Einbußen" bei den Zulassungszahlen sind an sich kein Problem, weil Marktanteile halten um jeden Preis nicht immer gut ist und Chrysler muss schrumpfen, das ist sicher. Erst wenn wirklich neue Produkte zu sehen sind, wenn man weiß, wohin das Schiff steuert, wenn die neueren Produkte auf dem Markt sind und man weiß, ob sie angenommen werden oder nicht, kann man sagen, ob dieses Bündnis gut oder schlecht war (für die FIAT-Gruppe wohlgemerkt, ob für uns Fans der Marken auch, wird man sehen).

Alles Andere, ob nun "Lobeshymnen" oder "Totengräberberichte" sind ohne Substanz, weil viel zu früh.

Liebe Grüße

Bernardp

Re: Marchionne in Kritik

Posted: 24 Feb 2010, 17:33
by Siegi
Hallo Bernardo,
Danke für Deine Einschätzung.
Es bleibt weiterhin spannend.
Gruß Siegi

Re: Marchionne in Kritik

Posted: 25 Feb 2010, 09:06
by rosso & nero
Ciao Bernardo,

Marchionne sitzt am längeren Ast: es gibt derzeit allein in Europa einige Dutzend nicht ausgelastete oder vor dem Zusperren stehende Fabriken (zb OPEL / Antwerpen).

So eine Produktion ist ganz rasch verlegt >:D<, da gibt es Unternehmen, die sind auf solche Verlegungen ganzer Produktionen spezialisiert. Und derzeit bräuchte man nicht einmal das Personal vor Ort völlig neu anlernen.

Wäre ich ital. Politiker, ich wäre vorsichtig: da hätten bei mir die Glöcklein bereits bei der Annäherung an Chrysler zu bimmeln begonnen.

Tanti saluti,

Chris

Re: Marchionne in Kritik

Posted: 25 Feb 2010, 09:46
by lanciadelta64
Ciao Chris,

wer in einer Regierungszeit von 5 Jahren (die von 2000-05) es schafft, nur 0,6% Wirtschaftswachstum zu erzielen (auf 5 Jahren bezogen, nicht im Durchschnitt pro Jahr), wer in seiner Amtszeit die Armut in 5 Jahren über 25% gesteigert hat, wer sich so aufführt wie nicht einmal die schlimmsten Despoten und dennoch geliebt wird, wer die Reinkarnation der italienischen Nachkriegsgeschichte samt Benito-Kopie ist, wer nach P2-Handbuch Politik betreibt, hat vor niemandem Angst, auch nicht vor Sergio. Allerdings umgekehrt auch nicht, denn verhasster als verhasst geht nicht nicht mehr. Wie war das noch einmal mit dem Namen der ruiniert ist und dem ungenierten Leben? FIAT ist längst ein internationales Unternehmen, verkauft und produziert mehr Autos in Brasilien als in Italien. So gesehen geht ihm diese Diskussion am .... vorbei. Die italienische Regierung kauft eh nicht bei FIAT ein und immer mehr Fahrzeuge der Carabinieri oder vor allem der Polizia Statale sind entweder Subarus oder BMW, Toyota, VW etc. Da FIAT auch in Italien kaum noch Expansionschancen haben dürfte, kann sich der Sergio ruhig jeden Streit hier stellen.

Tanti saluti

Bernardo