Lancia und andere Autos in Griechenland
Posted: 08 Jun 2009, 00:49
by Lancistos
Ich bin gegenwärtig in Griechenland. Auf den Ionischen Inseln sind italienische Autos (und besonders Lancia) traditionsgemäß häufiger vertreten als im restlichen Griechenland, allerdings nicht Alfa, was ein typischen Stadtauto ist. Ich war auf der Insel Kefalonia. Der Hobby/Nebenberufbauer hatte früher einen Beta oder später Prisma oder Dedra und für den Acker einen japanischen Pickup (geländegängig) oder Fiat Strada /Fiorino Pickup.
Das Straßennetz ist heute bis in jeden Nebenweg asphaltiert und die Bauern haben nur einen Wagen, sehr häufig eine A-Klasse und relativ häufig einen Tiguan. Mein Onkel kaufte sich vor drei Jahren eine neue C-Klasse (Stufenheck ist trotzdem out) und behielt den Prisma, bis seine Frau den Lancia nach der Scheidung mitnahm. Ich selbst hatte mal erlebt wie wir einen Frontalunfall gegen eine Seicento hatten (ich glaube 1998) und der Prisma war glimpflicher davon gekommen. Lancia ist selten geworden, nur die Musa sieht man noch häufig auf der Insel. Einen roten Alfa 166 fährt nur der Präfekt, allerdings mit Athener Kennzeichen. Lamborghini gibt es auf der Insel auch, allerdings die Landmaschinen
In Athen ist der Ypsilon sehr beliebt (als Edel-Einstiegsauto) und dann wird es sehr dünn. Die Fulvia ist seit langem der Klassiker schlechthin, ich habe in den wenigen Tagen zwei restaurierte Exemplare auf der Straße gesehen. Meine Tante hatte sich 1994 einen silbernen Alfa 33 Station Wagon 4x4 bestellt, der bis heute als Zweitwagen dient und bis auf die grünlich ausgeblichenen Sitze in gutem Zustand ist. Gewartet wird der Wagen immer in einer Alfa-Fachwerkstatt die eher einem Fanklub oder Vereinslokal gleicht (nicht mehr autorisiert, da ein Fiat-Händler mit einem schickeren Showroom die Vertretung übernahm). Alles Rot, an den Wänden alte Scudetti und Plakate und ein durchmischter Kundenstamm von Oldtimern bis Neuwagen.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Lancia und Alfa eher gepflegt werden, während andere Autos eher "verbraucht" werden. Deutsche Autos waren früher fast unbezahlbar und eine Fulvia oder später ein Delta (mit dem für Griechenland entwickelten 1100 ccm Motor, der erhebliche Steuervorteile brachte) waren das Maß der Dinge. Alfa fährt wie schon geschrieben kurioserweise nur der Städter...Bei Ersatzteilen soll der Lancia-Importeur (eine der wenigen Marken, die nicht selbst vertreten sind) sehr unkooperativ sein. Ist das Auto nicht in GR gekauft wird gelogen, dass ein Modell mit dieser Spezifikation nie importiert worden sei, und man deshalb keine Ersatzteile liefert. Bei alten Wagen wird gleich der Schrottplatz empfohlen.
Deutsche Marken haben ein sehr aggressives Marketing (ein Verwandter von mir war bis zu seiner Pensionierung Finanzchef einer deutschen Premiummarke hier) und setzen Händler unter Druck viele Wagen abzunehmen, die sie sofort bezahlen müssen. Wer zu große Gewinne macht, der bekommt ein Konkurrenzautohaus in seine Gegend gestellt. Geld macht der Hersteller auch mit der Einrichtung der Autohäuser, die häufig erneuert werden. Zwei Händler haben einen Herzinfakt erlitten, einer hat sich das Leben genommen. Der Griechenlandchef wurde vom Hersteller mittlerweile befördert und hat ein größeres Land übernommen.
Re: Lancia und andere Autos in Griechenland
Posted: 08 Jun 2009, 09:51
by fiorello
Ciao Lancistos,
sehr schöner Bericht, der wohl in etwa das wiederspiegelt was auch in Italia zu beobachten ist, der Vormarsch der aggresiv vertriebenen deutschen Premiumprodukte und das im eigenen Land :S
Ich frage mich oft warum überlässt man denen den Markt !? besser Autos bauen die nimmer eher emotionslosere Klötze

Der Fiat 500, was für ein Design, welch ein Retrostyling, nahezu perfekt, wenn ich mir dagegen den kläglichen Versuch eines New Beetle anschaue (td).
Dann der Nuova Delta, ein Superauto und zu dem Preis allemal Komkurrenzfähig und was passiert ein paar klägliche Werbespots, das war es das, den Rest soll das Schicksaal richten, Mamma Mia, wann kapieren die es endlich mal :S
Das mit der Alfawerkstatt kenne ich aus Italia auch noch, es wird aber weniger, weil alle Konzerne schon vor Jahren die Devise ausgaben große Glastempel für den Vertrieb zu favorisieren und so wurde kleine Familienbetriebe regelrecht an die Wand gedrückt, entweder sich maßlos zu verschulden oder Konzessionsentzug, das letztere passierte dann fast immer, das kostete auch Kundschaft, es gab keine Verbundenheit mehr, früher konnte man noch zu seinem Händler fahren um mit Gleichgesinnten zu Quatschen und Fachzusimpeln und heute wird man zur Inspektion mit einem falsch geschriebenen Namen auf großen LED-Bildschirmen begrüßt, alles kalt und unpersönlich, da fehlt das Spirit die klare Verbundenheit untereinander und zur Marke, oftmals gibt es ja auch die Mehrfachanbieter, neben Lancia steht dann Kia im Schowroom, Freunde des stilvollen Fahrens das ist absolut No go......
Natürlich werden Alfas und Lancias mehr von Ihren Besitzern gepflegt, diese Fahrzeuge kauft man meist aus Überzeugung und Liebhaberei, nicht um von A nach B zu gelangen
Das mit den ausgeblichenen Sitzen kenne ich auch noch sehr gut aus Italia, liegt wohl auch daran das die Sonne bei uns mehr und intensiver scheint, es betraf vornehmlich die Velourssitze.
Fährst du einen Lancia ? ich glaube du hast einen Lybra !?
Viele Grüsse nach GR
Tanti Saluti
Fiore
Re: Lancia und andere Autos in Griechenland
Posted: 08 Jun 2009, 11:17
by Behagen
Hallo !
(Nicht so)Schön zusehen das es in anderen Ländern genauso dumm läuft wie hier in Deutschland.
Es ist genau wie Du sagst,Fiorello,das Autogeschäft ist kalt und unpersönlich geworden.
Für mich ist es unverständlich wie sich gerade auch die Italiener,die ja eigentlich als Leidenschaftlich gelten,so dem
Zeitgeist unterordnen konnten und zu so einer nüchternen(deutschen)Verkaufskultur wechseln konnten.
Gruss Bernd
Re: Lancia und andere Autos in Griechenland
Posted: 08 Jun 2009, 11:42
by lanciadelta64
Ciao Fiore,
in Italien könnten die die aggressivste Werbung machen, Gold in ihre Autos verbauen, die Leute würden dennoch oberhalb des B- spätestens ab C-Segment deutsche Fahrzeuge kaufen. Das ist seit Jahrzehnten in den Köpfen, nur haben wir das nicht wahrgenommen, weil die FIAT-Gruppe einen großen Marktanteil hielt und wir alle dachten, jo, die Italiener fahren italienische Autos aus "Liebe".
Vor vielen Jahren erzählte mir eine Kollegin, man kaufe italienische Autos und träume von Mercedes und BMW. Gerade in Italien ist das Image oft wichtiger als alles Andere. Wieso würde sonst mein Freund Silvio immer gewinnen? Und man soll mir hier nicht mit Mafia und die "bösen, dummen" Süditaliener kommen, denn Silvo gewinnt samt Bossi auch überall im Norden. Das kann es also nicht sein.
Italiener wollen träumen und ungern die Realität sehen und so ist es auch mit den Autos. Du weißt, während die Deutschen VW Käfer fuhren, also ein Auto, das eigentlich von der Karosserie her sehr groß war, fuhren wir Italiener FIAT 500, für deutsche Verhältnisse ein Microcar.
Bis in weit in den 80ern war das italienische Leben auch anders bestimmt, mit anderen Notwendigkeiten und Autos waren, so verrückt das klingen mag, eher zweitrangig, ein Beförderungsmittel von A nach B. Warum wohl gibt es in Deutschland mehr Coupés und dann vor allem, im immer "sonnigen" Deutschland mehr Cabrios als in Italien? Warum gibt es hier mehr 4-Türer und das schon seit ewigen Zeiten?
Als dann auch in Italien das Leben veränderte, man sich ökonomisch die schon immer so bewunderten deutschen Autos sich leisten konnte, kippte das Bild hier, wobei natürlich FIAT eine Menge dazu beigetragen hat.
Dann gibt es auch noch einen Unterschied in der Mentalität. FIAT ist das meistgehasste Unternehmen Italiens. Das hat politische Gründe und mit der Sozialstruktur. FIAT war Synonym einer reichen Familie namens Agnelli. Man bekam viel Geld vom Staat, jede Menge Staatsaufträge und am Ende als Dankeschön schloss man die Werke in Norditalien (frage einmal die Arbeiter von Chivasso oder Arese)
Deswegen war es doch so leicht für die Lega zu schreien: "Gebt FIAT keine Hilfe" und die gestriege EU-Wahl hat gezeigt, wie gerne man solchen Parolen hört. Ich sage ja immer, unser nationales Gefühl unterscheidet sich drastisch von dem Frankreichs, Englands oder Deutschlands. Keine käme in Deutschland auf die Idee keine BMWs zu kaufen, weil sie einer Familiendynastie angehört und keiner käme auf die Idee, keinen VW mehr zu kaufen, auch wenn sich die Piechs und Co einen Familienkrieg leisten, wobei am Ende die Bürger mit die Zeche zahlen müssen.
Keiner käme auf die Idee, in Deutschland von einer Firma keine Produkte zu kaufen, nur weil sie Arbeitsplätze, egal in welcher Art, abbauen würde. Das ist leider in Italien anders. Fußball ist beispielsweise in Italien ein guter Indikator. Ein Mailänder würde her mit der halben Welt halten, als den Römern oder Turinern einen Sieg zu gönnen. Spielt Bayern in Deutschland, dann ist die überwiegende Mehrzahl der Deutschen natürlich für Bayern und nicht für den "ausländischen" Verein.
Daher wird sich die Tendenz in Italien kaum groß ändern. Italien war immer in den unteren Sektoren stark und ist es auch heute, sobald aber größere Autos gefragt sind, spielt das Image eine wichtige Rolle. Mittlerweile können oder wollen sich auch viele Italiener Autos oberhalb eines FIAT Seicento leisten, dazu gibt es die Mode der Gebrauchtautos, spziell, die aus anderen EU-Staaten kommen und da natürlich aus Deutschland. Schau dir die Zulassungszahlen von den SUVs an und dann wie viele in Italien herumfahren und schon merkst du, dass da etwas nicht stimmen kann, sprich, dass sie über den Parallelmarkt ins Land kommen.
Ich glaube, dass die FIAT-Gruppe mit ihren 34-35% in Italien in etwa ihre Möglichkeiten ausgeschöpft haben und das auch nur, weil dank der Krise vor allem Kleinfahrzeuge gefragt wird. Sollte sich der Markt wieder umkehren, dürfte FIAT wieder eher in Richtung 30% gehen, denn in Richtung 40% und glaube mir, die können Gold bauen, daran würde sich nichts ändern.
Schau, Deutschland steht in Europa für Soldität, Reichtum, Präzision, Stärke, Kraft, Leistung. Das ist das Bild und somit wollen die Kunden ein Stück davon haben, sich darin sonnen und auch nicht selten, damit sagen "schaut her, ich bin wie dieses Auto".
Deutschland steht nicht für "Zwergenautos", sondern für große hubraumstarke Fahrzeuge, die vielleicht unvernünftig sind, aber eben genau das ist, wovon vor allem die Männer träumen. Dieses Image könnte nur mit einem internationalen Niedergang Deutschlands Kratzer erleiden und das wird in absehbarer Zeit nicht geschehen.
In diesem Kontext wird FIAT international kaum ein Bein zum Stehen bekommen. Warum wohl suchen Marchionne und Co nach Partnern? Eben weil man weiß, dass man über einen bestimmten Level nicht hinauskommen wird.
Schau, selbst der tolle FIAT 500... wo wird er verkauft? Richtig, vor allem in Italien, wie alle anderen Fahrzeuge auch. Selbst der erfolgreiche FIAT 500 verkauft sich zu über 50% in Italien und der wirklich nicht schlechte FIAT Panda wahrscheinlich noch viel mehr. Der Opel Corsa verkauft sich häufiger als ein Grande Punto, obwohl beide sehr eng miteinander verwandt ist und das Aussehen kann ja wohl kaum der Grund sein, oder?
Daher gibt es in meinen Augen eine natürliche Verkaufsgrenze für FIAT, über die man nicht hinauskommen wird.
Als FIAT Marktführer in Europa war, wurde man das, nicht weil man jenseits Italiens so erfolgreich war, sondern weil man in Italien einen Marktanteil von über 60% hatte. Damals konnten sich weder Spanier, noch Griechen, noch Italiener teure große deutsche Autos leisten. Das Blatt hat sich gewendet.
In Italien wird die FIAT-Gruppe nie mehr nur annähernd in die 50%-Region gelangen, wahrscheinlich nicht einmal 40%, selbst wenn man ein tolles Programm hätte. Im Ausland ist Potential da, aber auch nur bis zu einem bestimmten Level. So halte ich einen Marktanteil von 10-11% maximal in Europa möglich, aber auch nur, wenn alles ideal verläuft und die Krise dafür sorgt, dass die Leute wieder mehr auf die Preise achten und vor allem große Fahrzeuge meiden. Mehr aber wird man niemals schaffen. Wo FIAT großes Potential hat, ist Lateinamerika. Bereits im letzten Jahr verkaufte FIAT Brasilien mehr Autos als FIAT in Italien. Daher auch der Versuch, von M&M nach Partnern in Europa zu suchen, um einen Marktanteil deutlich oberhalb von 10% zu erzielen, weil man dann nicht abhängig ist, im Ausland besonders viele FIATs zu verkaufen, die man eh nicht verkauft bekäme, sondern als Gruppe dort mit einer Fremdmark punkten zu können.
Tanti saluti
Bernardo
Re: Lancia und andere Autos in Griechenland
Posted: 08 Jun 2009, 12:16
by LCV
Es geht hier aber um den ALLGEMEINEN Trend, dass in absehbarer Zeit nur noch sehr große Autohandelsketten mit Glaspalästen überleben, dazu vielleicht noch Werksniederlassungen. Der kleine Händler ist in den Köpfen dieser studierten Superstrategen nicht attraktiv und entspricht nicht dem hochtrabenden Image eines an der Börse erfolgreichen Herstellers. Die Kleinen dürfen für ein paar Almosen den Großen die Kunden zutragen und evtl. die Dreckarbeit machen. Im Zuge der Gewinnoptimierung werden auch viele Hersteller versuchen, den Handel durch Direktmarketing ganz auszuschalten. Ich will aber mein Auto nicht am Bildschirm "komponieren" und bestellen, sondern möchte es im Autohaus mit persönlicher Bindung anfassen, probefahren usw. Als ich vor Jahren einen BMW 323 i kaufte, wurden wir bei Abholung des Fahrzeugs mit einem Gläschen Sekt begrüßt, meine Frau bekam einen Riesenblumenstrauß und der Chef persönlich machte mit uns eine kleine Einführungsrunde. In den Räumen dieses Autohauses ist jetzt ein Büroartikelgeschäft und ein größerer Händler mit mehreren Filialen glaubt, dass man die Kunden einfach so übernehmen könne. Aber das lästige Telefonmarketing irgendwelcher Jungdynamiker habe ich gleich abgestellt. Wo diese familiäre Atmosphäre fehlt, macht es keinen Spaß mehr zu kaufen. Das Gegenteil gilt für einen Alfa-Händler in unserer Region. Das ist auch ein Autohaus mit Alfa-Club-Atmosphäre und zudem kompetenten Mechanikern. Da kommen Kunden teilweise aus fast 100 km Entfernung, weil vor Ort das nicht geboten wird. Hoffentlich kann er das noch lange so machen.
Sicher denkt nicht jeder Kunde so, aber doch viele. Bei den meisten "modernen" Autohäusern wird eine Atmoshäre vermittelt wie in einer Bank. Und manche Verkäufer behandeln die Kunden, als würde ein stadtbekannter Penner nach einem Kredit fragen.
Ich fürchte nur, dass in den oberen Etagen der Hersteller/Importeure der Kontakt zur Basis komplett verloren gegangen ist. Die sind sicher überzeugt, immer alles richtig zu machen. Deshalb wird es wohl in Zukunft immer schlimmer statt besser werden.