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Fiat mit Kapitalnot

Posted: 23 Jan 2009, 08:49
by Siegi
Guten Morgen Lancisti,
in der heutigen SZ wird der Umsatzrückgang im letzten Quartal, -21%, mit seinen Folgen beschrieben. Die Gewinnprognose für 2009 wird mächtig reduziert, so dass die Aktie einbrach. Fiat benötigt Kapital, Berlusconi will auch helfen!!
Vielleicht haben unsere italienischen Freunde im Forum genauere Informationen.
ciao Siegi

Re: Fiat mit Kapitalnot

Posted: 23 Jan 2009, 09:20
by Alex G.
Gerade unter Italiaspeed gelesen:
http://www.italiaspeed.com/2009/cars/in ... emolo.html

Grüße
Alex G.

Re: Fiat mit Kapitalnot

Posted: 23 Jan 2009, 14:50
by lanciadelta64
Ich weiß nicht, woher die SZ das hat, aber mit Sicherheit nicht aus dem FIAT-Jahresbericht, denn der spricht von anderen Dingen. FIAT hat demnach logischerweise im letzten Quartal erheblich weniger verdient (-17,2%), im gesamten Jahr aber immer noch aufgrund der ersten 9 Monate (in den ersten 9 Monaten: +8,4% gegenüber 2007) genügend verdient. FIAT wird einen Cash Flow von über 1 Mrd. Euro mit einer Gesamtverschuldung unter 5 Mrd. Euro aufweisen. Die Aussicht für 2009: Gewinn über 300 Mio. Euro. Es wird keine Dividende gezahlt, um die finanzielle Strukrur zu stärken.
http://www.repubblica.it/2009/01/motori ... =mothpstr5
Berlusconi hat "versprochen", dem Automobilsektor zu helfen (er verspricht sehr viel, wenn der Tag lang ist, er ist der Papst Italiens, der Himmel auf Erden selbst bei einer Katastrophe verspricht), wobei die Rede von einer Altautoentsorgung ähnlich die in Deutsch ist. Berlusconi will sich mit den zuständigen Vertretern an einem Tisch sitzen, so zumindest Berlusconis Ankündigung von gestern.

Die Position FIATs ist seit längerem bekannt: Entweder keiner bekommt Hilfen oder alle und da mittlerweile Stück für Stück die einzelnen Ländern ihre Autoindustrie unterstüzen und es auch dank Deutschlands keine gemeinsame Politik diesbezüglich in Europa geben wird, ist es nur logisch, dass auch Italien etwas unternehmen muss.

So jedenfalls sind die Nachrichten in Italien, aus Zeitungen, die den Jahresbericht in Auszügen erwähnen und den Verlautbarungen von FIAT Group und der italienischen Regierung.

Re: Fiat mit Kapitalnot

Posted: 24 Jan 2009, 00:05
by fiorello
Salve,

ich habe heute mehrmals die Nachrichten auf Raiuno verfolgt, keinerlei Erwähnung von einer Finanzkrise bei Fiat !? wenn es wirklich so dramatisch dann würde das mit Sicherheit bei den Nachrichten sehr exclusiv erstattet ;)

Ich denke mal man möchte damit von BMW und Co ablenken >:D<

Ciao Fiorello

Re: Fiat mit Kapitalnot

Posted: 24 Jan 2009, 14:18
by lanciadelta64
Nun hat FIAT (Marchionne und Co) seit ca. 4 Wochen mit den Banken Verhandlungen über eine Kreditlinie von 5 Mrd. Euro geführt, wobei die Betonung auf "Kreditlinie" und nicht auf "Kredit" liegt. Diese "Kreditlinie" dient NICHT, um finanzielle Probleme auszugleichen, sondern dient wohl als "Streikkasse", also für den Fall, dass man Aquisitionen tätigen will. Es soll auch dafür dienen, den Aktienkurs zu stabilisieren, weil die Kreditlinie nur gewährt wird, wenn jemand "kreditwürdig" ist und wenn man vorhat, damit operativ tätig zu werden. Diese Kreditlinie will man auch jetzt erzielen, weil man nicht weiß, wie sich der Finanzmarkt weiter entwickelt und wie die Geschichte mit der Deutschen Bank gezeigt hat, ist Vorsicht geboten. Die Sicherung einer Kreditlinie ermöglicht dann auch, nicht am Ende vor Problemen zu stehen, kein Geld von Banken zu erhalten, weil die keine Kredite vergeben wollen.

Ferner hat FIAT mit dem Joint-Venture mit Tata in Indien ca. 500 Mio. Euro verdient, die auch auf die "hohe Kante" gelegt werden sollen. Mit der gleichen Begründung wurde auch keine Dividende gezahlt, auch wenn der Gewinn 2008 es ermöglicht hätte.

Das hier sind NICHT "meine Interpretationen, sondern teils offiziell, teils semioffizielle Verlautbarungen und so in den italienischen Medien unisono zu lesen.

Jedenfalls ist von "Kapitalnot" keine Rede, wäre auch angesichts der Bilanzen (sofern man ihnen glauben darf, aber das gilt für die Bilanzen aller) nicht nötig. Auch hat FIAT nicht offiziell nach alleiniger Hilfe gerufen, sondern sehr früh eine einheitliche Linie europaweit gefordert, also nicht exklusive Sonderbehandlung, aber auch keine für die anderen.

Das ist der Stand der Dinge. Genauso spricht man im nicht deutschen Ausland ja davon, dass BMW sehr schwer allein überleben kann und somit ein Fusionkandidat ist (in welcher Art auch immer). Es wird also sehr spannend werden und vielleicht wird es die eine oder andere Überraschung geben. Mit Sicherheit hat FIAT in den letzten 5 Jahren sich gut saniert und hat heute das Glück, nicht auf den SUV-Sektor tätig geworden zu sein. Die Krise bei FIAT am Anfang des Jahrtausends ist im Nachhinein ein Glückfall, weil man gezwungenermaßen auf kleinere Autos gesetzt hat. Den Plan, für Alfa einen SUV auf den Markt zu bringen, ist erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben bzw. ist das Projekt "eingestanzt".

Aber man ist ja auch in Deutschland gewohnt, dass man gerne mit Hähme über die Probleme der anderen schreibt, dann vehement bestreitet, dass man auch Probleme habe und darauf hinweist, man könne alles eh besser, um dann am Ende aber doch feststellen zu müssen, dass man selbst den Hals in der Schlinge hat. Ich erinnere mich am Anfang der Bankenkrise und was hat man nicht alles geschrieben, wie toll man selbst aufgestellt sei und dass es eine "rein amerikanische Bankenkrise sei" und das Ende vom Lied ist, dass selbst die Deutsche Bank sich in die Obhut (wenn auch indirekt) des Deutschen Staates begibt, um kleinlaut zugeben zu müssen, man stecke tiefer im Sumpf, als man vorher zugegeben habe.

FIAT ist bestimmt nicht gerettet, aber das sind auch andere nicht und es wird für alle sehr spannend. FIAT ist dank der früheren Krise glücklicherweise weniger bedroht, als man es noch vor 5 oder 6 Jahren war, aber man wird genauso wenig über Jahre eine Dauerkrise am Automobilmarkt überleben können wie andere auch nicht. Auch hat man in den letzten Jahren viel investiert, weil man bei Null anfangen musste und die Früchte wird man erst in den nächsten Jahren sehen können.

FIAT ist also in meinen Augen weder so stark, um zu den größten Weltkonzernen zu gehören, wie einige FIAT-Fans es gerne hören würden, noch ist es ruiniert, wie manche in Ländern , die zu den Konkurrenten gehören, es gerne hätten.

Keiner, weder die SZ, noch 4R, noch Marchionne und Co, können heute sagen, wohin die Reise geht. Mir scheint es jedenfalls, dass man nach Jahren der "ruhigen" Hand bei FIAT in dieser weltweiten Krise eine aggressivere Strategie eingeschlagen hat. Aber ob das erfolgreich sein wird, weiß ich nicht und ich wage auch keine Prognose, wie ich auch nicht die Hand für deutsche Automobilbauer ins Feuer legen würde.