Herr Demel in der "Welt vom 06.08.2004
Posted: 09 Aug 2004, 13:15
..klingt doch in Sachen Lancia ganz ambitioniert und beruhigend....!!! Jedenfalls höre ich da nichts in Richtung "Markenstillegung" raus...
LA DOLCE VITA
Emotionale Autos mit italienischem Flair und der Qualität deutscher Fahrzeuge sind das Ziel des neuen Fiat-Chefs Herbert Demel
von Peter Hannemann
Gute Laune will in den düsteren Katakomben des Fiat-Hauptquartiers in Mirafiori nahe Turin nicht so recht aufkommen. Schweres, dunkles Holz, müde, grüne Tapeten, alte, nicht mehr ganz frische Möbel sorgen eher für eine gedrückte Stimmung. Ganz anders als in den Hightech-Tempeln von BMW, Daimler oder Audi herrscht am Corso Giovanni Agnelli der beklemmende Charme einer streng hierarchisch geführten Unternehmer-Dynastie. Fast ist man geneigt zu glauben, dass aus so einem traurigen Ambiente keine fröhlichen Autos kommen können.
Erst als Herbert Demel, Österreicher von Geburt, "Car Guy" aus Passion und im Job des neuen Fiat-Chefs den Raum betritt, hellt sich die Atmosphäre schlagartig auf. Demel gibt sich äußerst leger, das Sakko bleibt im Schrank, das Gesprächsklima ist heiter-gelöst, trotz der ernsten Lage des Konzerns. Als erster Ausländer auf dem Fiat-Thron spricht er offen darüber, was er vorgefunden hat, was er ändern will und wie die Aussichten sind.
Vor allem aber redet er über Autos: "Wir brauchen wieder mehr Modelle, die das typisch Italienische in sich tragen und die Herzen der Menschen erreichen. Alle lieben doch Italien, auch die Autos, wir müssen nur wieder den Sinn dafür schärfen. Wir nennen das italianita", beschwört Demel den Neuanfang.
Sein Lieblingsauto ist der Alfa GT. Kein Wunder, hat sich doch der 156 in ein noch attraktiveres Grantourismo-Kleid (von Bertone) geschwungen. Auch im Fiat Idea und dem Lancia Musa sieht Demel die einzelnen Konzernmarken ansatzweise auf dem richtigen Weg: "Allerdings brauchen wir mehr solcher Autos, und zwar quer durch alle Segmente."
Pfiffige, aber einfache Lösungen - für die soll Fiat wieder stehen. Vergessen machen will Herbert Demel die veralteten und zumeist auch noch falsch positionierten Modelle. Ein Smart hätte - freilich unter wirtschaftlich rentableren Gesichtspunkten - natürlich von Fiat kommen müssen. Kleine, emotional gestylte Offroader ebenso wie herzerfrischende Roadster für die Jugend Europas. Ganz zu schweigen von Autos, die generell die italienische Lebensart transportieren, was man laut Demel vornehmlich an den eingesetzten Materialien und am Design festmachen kann. Andere italienische Hersteller mit Weltgeltung wie Alessi (Hausgeräte) oder Driade (Möbel) zeigen doch, wie so etwas geht. Die legendäre Vespa, bis heute im Programm und immer wieder an den Zeitgeist angepasst, ist ein anderes gutes Beispiel. Sie auf vier Rädern - das sollte Fiat verkörpern.
Wenn Herbert Demel an die Kernmarke denkt, die vor allem gesunden muss, damit es auch bei Alfa und Lancia weiter geht, dann schießen ihm natürlich Fahrzeuge wie die Studie Trépiuno (eine Reminiszenz an den Fiat Topolino beziehungsweise Fiat 500) in den Kopf. Oder einen kleinen Geländewagen, der gemeinsam mit Suzuki entwickelt, aber eine ganz eigene "Italianita"-Karosse haben wird. Ebenso an den neuen Punto, der 2005 auf den Markt kommt und sein Profil gleichfalls mit den "italienischen Momenten des Lebens" schärfen will. Wenig später tritt als Nachfolger des einst verblichenen Croma (Entwicklungs-Code: New Large) eine "neue Größe" hinsichtlich eines gänzlich anderen Limousinen-Raumkonzepts und Designs auf den Plan, der in Richtung eines italienischen Opel Signum zu verstehen sein könnte. Herbert Demel sprüht jedenfalls vor Tatendrang. Der Mann, der seinen Aufstieg im VW-Konzern (zuerst Audi-Vorstand, dann Vorsitzender des Vorstands, danach Chef von VW do Brazil) bislang strategisch plante, versteht sich weniger als Sanierer denn als Motivator. Er weiß, dass Fabriken schließen und Massenentlassungen in Italien kaum durchsetzbar sind. Aber das emotionale Potenzial zu heben, das in den drei Marken steckt, will er konsequent angehen. Jedenfalls hat er nicht vor, alle Debatten ins Unverbindliche absaufen zu lassen. "Aber", so seine These, "jedes neue Modell muss sich rechnen."
ALFA
So auch der bildschöne Alfa Romeo Supersportwagen 8C, über dessen Produktion Demel erst nach Abschluss der Kalkulation entscheidet. Verabschiedet ist dagegen der GTV-Nachfolger, der noch unter dem Arbeitstitel Brera durch die Gazetten geistert. Alfa Romeo müsste nach Ansicht des Österreichers noch besser funktionieren, da die Marke breiter aufgestellt ist als je zuvor und als Designerlabel gefeiert wird. Ein trendiger Offroader mit Alfa-Esprit soll in Ergänzung zum bisherigen Angebot das werden, was der Cayenne für Porsche schon ist - ein sportlicher Geländewagen, aber im Gegensatz zum Porsche mit der Karosserie eines Herzensbrechers.
LANCIA
Mehr Handlungsbedarf sieht Demel bei Lancia: "Es wäre eine Sünde, die noble Marke sterben zu lassen." Sie soll aber eindeutiger und in einer feineren Lebenswelt positioniert werden. Dass sich der Ypsilon in Europa besser verkauft als der Mini, freut ihn natürlich. Aber Lancia ist aus ihrer Tradition heraus keine Kleinwagenmarke. Die Langversion des total unterschätzten Thesis vom italienischen Karossier Stola könnte in die Rolle des Maybach südlich der Alpen schlüpfen und als Staatskarosse reüssieren. Wichtiger für Demel wird indes sein, für den wenig geglückten Mittelkassewagen Lybra einen geeigneten Nachfolger mit größeren Erfolgsaussichten im wahrsten Sinne des Wortes zu kreieren, um der Marke durchgängig mehr Glanz zu verleihen.
QUALITÄT
Fiat darf sich, und das versteht Demel schon fast als Dogma, nicht nur über die Technik definieren, sondern über Qualität. Damit dies nicht erneut wie ein sich ständig wiederholendes Lippenbekenntnis aus der Fiat-Chefetage klingt, hat Demel ("Es müssen Taten folgen") frisches Personal rekrutiert. In der neuen Führungsstruktur gibt es zwei Schlüsselpositionen, die Demel mit Fachleuten aus dem VW-Konzern neu besetzt hat: Für die Qualität ist Ex-Audi-Mann Stefan Ketter zuständig, für den Vertrieb Johann Wohlfarter, bislang Chef der italienischen Vertriebstochter Autogerma. Beide berichten direkt an den Vorstandsvorsitzenden.
Emotionale Autos mit italienischem Flair und der sicht- und fühlbaren Qualität deutscher Fahrzeuge anzubieten, das jedenfalls ist das unumstößliche Ziel des neuen Fiat-Chefs
LA DOLCE VITA
Emotionale Autos mit italienischem Flair und der Qualität deutscher Fahrzeuge sind das Ziel des neuen Fiat-Chefs Herbert Demel
von Peter Hannemann
Gute Laune will in den düsteren Katakomben des Fiat-Hauptquartiers in Mirafiori nahe Turin nicht so recht aufkommen. Schweres, dunkles Holz, müde, grüne Tapeten, alte, nicht mehr ganz frische Möbel sorgen eher für eine gedrückte Stimmung. Ganz anders als in den Hightech-Tempeln von BMW, Daimler oder Audi herrscht am Corso Giovanni Agnelli der beklemmende Charme einer streng hierarchisch geführten Unternehmer-Dynastie. Fast ist man geneigt zu glauben, dass aus so einem traurigen Ambiente keine fröhlichen Autos kommen können.
Erst als Herbert Demel, Österreicher von Geburt, "Car Guy" aus Passion und im Job des neuen Fiat-Chefs den Raum betritt, hellt sich die Atmosphäre schlagartig auf. Demel gibt sich äußerst leger, das Sakko bleibt im Schrank, das Gesprächsklima ist heiter-gelöst, trotz der ernsten Lage des Konzerns. Als erster Ausländer auf dem Fiat-Thron spricht er offen darüber, was er vorgefunden hat, was er ändern will und wie die Aussichten sind.
Vor allem aber redet er über Autos: "Wir brauchen wieder mehr Modelle, die das typisch Italienische in sich tragen und die Herzen der Menschen erreichen. Alle lieben doch Italien, auch die Autos, wir müssen nur wieder den Sinn dafür schärfen. Wir nennen das italianita", beschwört Demel den Neuanfang.
Sein Lieblingsauto ist der Alfa GT. Kein Wunder, hat sich doch der 156 in ein noch attraktiveres Grantourismo-Kleid (von Bertone) geschwungen. Auch im Fiat Idea und dem Lancia Musa sieht Demel die einzelnen Konzernmarken ansatzweise auf dem richtigen Weg: "Allerdings brauchen wir mehr solcher Autos, und zwar quer durch alle Segmente."
Pfiffige, aber einfache Lösungen - für die soll Fiat wieder stehen. Vergessen machen will Herbert Demel die veralteten und zumeist auch noch falsch positionierten Modelle. Ein Smart hätte - freilich unter wirtschaftlich rentableren Gesichtspunkten - natürlich von Fiat kommen müssen. Kleine, emotional gestylte Offroader ebenso wie herzerfrischende Roadster für die Jugend Europas. Ganz zu schweigen von Autos, die generell die italienische Lebensart transportieren, was man laut Demel vornehmlich an den eingesetzten Materialien und am Design festmachen kann. Andere italienische Hersteller mit Weltgeltung wie Alessi (Hausgeräte) oder Driade (Möbel) zeigen doch, wie so etwas geht. Die legendäre Vespa, bis heute im Programm und immer wieder an den Zeitgeist angepasst, ist ein anderes gutes Beispiel. Sie auf vier Rädern - das sollte Fiat verkörpern.
Wenn Herbert Demel an die Kernmarke denkt, die vor allem gesunden muss, damit es auch bei Alfa und Lancia weiter geht, dann schießen ihm natürlich Fahrzeuge wie die Studie Trépiuno (eine Reminiszenz an den Fiat Topolino beziehungsweise Fiat 500) in den Kopf. Oder einen kleinen Geländewagen, der gemeinsam mit Suzuki entwickelt, aber eine ganz eigene "Italianita"-Karosse haben wird. Ebenso an den neuen Punto, der 2005 auf den Markt kommt und sein Profil gleichfalls mit den "italienischen Momenten des Lebens" schärfen will. Wenig später tritt als Nachfolger des einst verblichenen Croma (Entwicklungs-Code: New Large) eine "neue Größe" hinsichtlich eines gänzlich anderen Limousinen-Raumkonzepts und Designs auf den Plan, der in Richtung eines italienischen Opel Signum zu verstehen sein könnte. Herbert Demel sprüht jedenfalls vor Tatendrang. Der Mann, der seinen Aufstieg im VW-Konzern (zuerst Audi-Vorstand, dann Vorsitzender des Vorstands, danach Chef von VW do Brazil) bislang strategisch plante, versteht sich weniger als Sanierer denn als Motivator. Er weiß, dass Fabriken schließen und Massenentlassungen in Italien kaum durchsetzbar sind. Aber das emotionale Potenzial zu heben, das in den drei Marken steckt, will er konsequent angehen. Jedenfalls hat er nicht vor, alle Debatten ins Unverbindliche absaufen zu lassen. "Aber", so seine These, "jedes neue Modell muss sich rechnen."
ALFA
So auch der bildschöne Alfa Romeo Supersportwagen 8C, über dessen Produktion Demel erst nach Abschluss der Kalkulation entscheidet. Verabschiedet ist dagegen der GTV-Nachfolger, der noch unter dem Arbeitstitel Brera durch die Gazetten geistert. Alfa Romeo müsste nach Ansicht des Österreichers noch besser funktionieren, da die Marke breiter aufgestellt ist als je zuvor und als Designerlabel gefeiert wird. Ein trendiger Offroader mit Alfa-Esprit soll in Ergänzung zum bisherigen Angebot das werden, was der Cayenne für Porsche schon ist - ein sportlicher Geländewagen, aber im Gegensatz zum Porsche mit der Karosserie eines Herzensbrechers.
LANCIA
Mehr Handlungsbedarf sieht Demel bei Lancia: "Es wäre eine Sünde, die noble Marke sterben zu lassen." Sie soll aber eindeutiger und in einer feineren Lebenswelt positioniert werden. Dass sich der Ypsilon in Europa besser verkauft als der Mini, freut ihn natürlich. Aber Lancia ist aus ihrer Tradition heraus keine Kleinwagenmarke. Die Langversion des total unterschätzten Thesis vom italienischen Karossier Stola könnte in die Rolle des Maybach südlich der Alpen schlüpfen und als Staatskarosse reüssieren. Wichtiger für Demel wird indes sein, für den wenig geglückten Mittelkassewagen Lybra einen geeigneten Nachfolger mit größeren Erfolgsaussichten im wahrsten Sinne des Wortes zu kreieren, um der Marke durchgängig mehr Glanz zu verleihen.
QUALITÄT
Fiat darf sich, und das versteht Demel schon fast als Dogma, nicht nur über die Technik definieren, sondern über Qualität. Damit dies nicht erneut wie ein sich ständig wiederholendes Lippenbekenntnis aus der Fiat-Chefetage klingt, hat Demel ("Es müssen Taten folgen") frisches Personal rekrutiert. In der neuen Führungsstruktur gibt es zwei Schlüsselpositionen, die Demel mit Fachleuten aus dem VW-Konzern neu besetzt hat: Für die Qualität ist Ex-Audi-Mann Stefan Ketter zuständig, für den Vertrieb Johann Wohlfarter, bislang Chef der italienischen Vertriebstochter Autogerma. Beide berichten direkt an den Vorstandsvorsitzenden.
Emotionale Autos mit italienischem Flair und der sicht- und fühlbaren Qualität deutscher Fahrzeuge anzubieten, das jedenfalls ist das unumstößliche Ziel des neuen Fiat-Chefs