1 Jahr Flavia Erfahrungsbericht

ontheroad
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1 Jahr Flavia Erfahrungsbericht

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18 Monate Lancia Flavia- 26.000 Km – Erfahrungsbericht
Den Lancia Flavia kauft man wegen der Emotionen, die er weckt, weil er einem – häufig auf den ersten Blick- gefällt, Diskussionen über das Design sind also müßig. Wissen muss man, dass Schönheit auch ihren Preis hat. Insbesondere bei Regen bekommt man das zu spüren. Der Wasserablauf bei Einstieg und an der Kofferraumklappe ließe sich sicherlich verbessern – eine Denksportaufgabe für die Konstrukteure. Die riesige Frontscheibe sorgt nicht unbedingt für gute Sicht. Die flache Ausrichtung sorgt vielmehr dafür (natürlich abhängig von der Körpergröße), dass man sich an der hohen deutschen Ampel eher den Hals verrenkt, denn entspannt auf grün wartet.

Verarbeitung: Verkleidung im Fußraum vor dem Beifahrersitz bei Auslieferung unbefestigt. Türen (insbesondere rechts) nicht präzise ausgerichtet, musste nachgebessert werden. Wer hat da bei der Endabnahme seine Brille vergessen?
Eine gewisse Toleranz des Käufers wird vorausgesetzt, z.B.: Kofferraumverkleidung linksseitig gut, rechts mit sehr viel Luft.
„Überflüssige“ Kunststoffteile liegen unter dem Styroporeinsatz im Kofferraum. Die gehören in den offensichtlich nicht vorhandenen Werksmülleimer in Michigan.
Billig-Kunststoffverkleidung beim Tankeinfüllstutzen könnte direkt aus China kommen - wird dem Eigen-Anspruch des Autos nicht gerecht: Sitzt nicht, wackelt und hat Luft.
Rechtes Fenster quietscht beim Öffnen und Schließen gotterbärmlich, insbesondere bei Feuchtigkeit: Erste Werkstatt ist hilflos. Zweite Werkstatt sorgt für Abhilfe.
Lackfehler ab Werk: Herausquellende Dichtungsmasse am Blinker hinten einfach überlackiert. Wurde natürlich im Rahmen der Garantie behoben.
Das Lancia-Emblem am Kühler war schon nach wenigen Monaten "pockennarbig" und wurde getauscht. Inzwischen musste auch dieses aus demselben Grund erneut getauscht werden.
Abgesehen von diesen Mängeln kann man dem Flavia schlampige Verarbeitung nicht vorwerfen.

Kraftstoffverbrauch: Die Prospektangaben können nur als unverbindlich annähernde Werte genommen werden. Im gemischten Verkehr Autobahn/Bundesstraße/Landstraße mit der einen oder anderen Ortsdurchfahrt werden 9 L/100km bei sehr defensiver Fahrweise nicht überschritten. Im Stadtverkehr schnellt der Verbrauch allerdings rapide nach oben, ebenso bei Bleifuß auf der Autobahn. Insgesamt für europäische Verhältnisse ein eindeutig unzeitgemäß hoher Kraftstoffverbrauch. Definitiv kein Auto für den Großstadtverkehr.

Handling: Wenn man sich vor Augen hält, dass man schließlich ein gut durchschnittliches deutsches Kinderzimmer (von der Grundfläche gesehen) spazieren fährt, ist hier jeder Einwand relativ. Wendekreis: nicht optimal für die Großstadt, ebenso die Sicht. Bei einer Breite von 204 cm (über die Spiegel) sind die älteren deutschen Parkhäuser ein großes Problem. Ich persönlich parke eigentlich immer platzsparend, in solchen Parkhäusern beanspruche ich jedoch grundsätzlich immer 2 Plätze. Das hat den Vorteil, dass ich aussteigen kann, aber auch mein Park-Nachbar.
Übersichtlichkeit: Die fehlenden Parkassistenzsysteme sind bei einem Fahrzeug dieser Kategorie absolut unverzeihlich. Die große Fronscheibe reflektiert (je nach Lichteinfall unterschiedlich stark), die Karosserie vorne links und rechts ist nur zu „erahnen“ und lädt zu Fehleinschätzungen ein. Nach hinten ist der Fahrer praktisch völlig blind. Hier kann man nur empfehlen, als Anfänger häufiger mal auszusteigen und zu schauen – zumindest sollte man die Fenster geöffnet halten, damit man den Aufprall hört.

Komfort: Sehr ordentliche Sitze, gute Einstellmöglichkeiten. Ansonsten: Im Kontrast zu der werthaltigen Lederausstattung leider doch ehrlicherweise eher pragmatisch billig, denn werthaltig wirkendes Plastik. Innen stilistisch unentschieden: Glänzend silbriger Retro-Chrom hier und da – andererseits modern matt Silber. - Sollten tatsächlich die hinteren Sitze mit 2 Personen besetzt werden, deren Schuhgröße 43 überschreitet, wird das notwendige elektrische Vor- und Zurückfahren der Vordersitze zum Geduldstest.
Türen müssen bei geschlossenen Fenstern mit „Schmackes“ geschlossen werden, desgleichen der Kofferraumdeckel. Wenn man dann wenigstens ein „sattes“ Ins-Schloss-Fallen vernehmen würde, dann könnte man das ja akzeptieren, aber so wird man eher an den blechernen Opel Kadett der siebziger Jahre erinnert. Da gibt es bei deutschen Fahrzeugen dieser Klasse inzwischen serienmäßig Komfortableres und Besseres.
Das elektrisch betriebene Softtop ist leider nur im Stand (mit viel Geduld) zu betätigen. Ein klarer Rückschritt gegenüber dem alten Chrysler-PT-Cruiser-Cabrio.

Motor: Definitiv der falsche Motor. Verglichen mit dem 2,4-Chrysler-PT-Cruiser-Cabrio ist der Motor viel sparsamer, aber auch sehr viel behäbiger. Das passt absolut nicht zum Erscheinungsbild des Wagens. Alle Testberichte, die dieses kritisch anmerken, haben Recht. Selbst die Reaktionszeit des Tempomats ist ein Rückschritt gegenüber dem o.g. Chrysler-Modell.
Nur wer –so wie ich- gemütlich cruisen will, der ist gut bedient. Jeder, der von einem vergleichbaren deutschen Modell, zu der Flavia wechseln will, wird über die Probefahrt nicht hinauskommen.

Preis-Leistung: Der im Allgemeinen als günstig eingestufte Anschaffungspreis liegt immer noch weit weit weit über dem Preis für den fast baugleichen Chrysler in den USA.
Das bei der Anschaffung Gesparte, sollte man investieren in Unterbodenschutz, Hohlraumversiegelung und Einparkassistenzsysteme. Der Rest wird sowieso durch sehr teure Ersatzteile, vergleichsweise teure Inspektionen, den relativ hohen Kraftstoffverbrauch, durch höhere Versicherungsbeiträge und Steuern aufgesogen. „Günstig“ ist also wieder ein relativer Begriff.

Inspektionen: Alle 24.000 km. Kosten der 1. Inspektion: Euro 372,13. Enthaltenes Material: Öl: 117,13 – Filter: 25,21 – Innenraumfilter: 36,82 – Stopfen: 7,46 – Ölfilter: 20.33 – Kleinmaterial: 7,53 – Arbeit: 157,64 – Ich denke mir: Kein Kommentar nötig.

Mängel: Bei der 1. Inspektion wurde die defekte Niveauregulierung eines Scheinwerfers festgestellt. Schadensbehebung dauerte 1 Monat. Das Radio funktioniert nicht so wie es soll - trotz vorgenommener Updates ist dieses auch nach 1 1/2 Jahren der Fall. Die programmierten Sender werden als „Presets“ nicht immer angezeigt, bzw. nicht richtig angezeigt. Der Kunsstoff-Rahmen des Heckfensters ist wellig, ein Fehler der auch schon vereinzelt beim Vorgängermodell Chrysler Sebring auftrat. Fehler wurde reklamiert, Händler rät von einem Fensteraustausch ab.
Die Betätigung des Blinkers hat häufig zur Folge, dass man ungewollt Fernlicht einschaltet.

Händler: Verkauf: 1A. Service:Offensichtlich überlastet. Es braucht alles viel zu lange. Wenig zuvorkommend. Teuer. Ergebnis: Der große überregional tätige Händler schloss die für mich zuständige Filiale quasi über Nacht. Ich wurde nicht über den Fortgang meiner Reklamationen informiert. – Ich denke mir: Auch hier ist kein Kommentar nötig. Der noch verbliebene Händler ist nun mehr als ausgelastet und freut sich nicht darüber, Garantiearbeiten auszuführen.

Fazit: Die entscheidenden Fragen sind: Was will ich? Was erwarte ich? Wer ein schönes Auto will, die Testberichte gelesen hat und automobiltechnisch nicht zu viel erwartet, wird mit der Flavia hoch zufrieden sein und sie lieben. Voraussetzung ist, dass man das eine oder andere verzeiht. Wer hierzu nicht in der Lage ist, wird ausreichend Anlass zum Nörgeln, Meckern oder zu einem geradezu vernichtenden Urteil finden. Die Flavia ist kein Exot, die Flavia ist vielmehr eine Rarität auf unseren Straßen. Fiat wird leider leider leider (sicherlich ungewollt aus Unvermögen) dafür sorgen, dass dieses so bleibt.
In diesem Sinne sollte sich jeder Besitzer an ihr erfreuen und zwar so wie sie nun einmal ist.
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