Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

Hier können Lancisti auch über andere Sachen als Lancia reden.
al_dente
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Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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http://www.kfz-betrieb.vogel.de/wirtsch ... es/362226/

... Die von Fiat am Donnerstag veröffentlichte Bilanz, in die Chrysler einfließt, zeigt ein völlig gespaltenes Bild: Der Gesamtumsatz erreichte im ersten Quartal 20,2 Milliarden Euro, wobei Fiat allein lediglich 8,7 Milliarden ausmacht bei einem Rückgang von 5,7 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahresquartal. Ohne Chrysler hätte Fiat zudem einen Verlust von etwa 273 Millionen Euro eingefahren. Einschließlich Chrysler wies die Bilanz einen Nettogewinn von 379 Millionen Euro aus. Fiat verweist auf einen weiterhin schwachen Automarkt in Europa, wobei in Italien noch die Folgen von Streiks der Autotransporter hinzukommen.

Fiat hält mittlerweile 58,5 Prozent an Chrysler. Während das eigene Geschäft unter dem schwachen Automarkt in Europa leidet, verdient die US-Tochter kräftig. Umgekehrt wäre Chrysler ohne Fiats Unterstützung kaum ein Comeback gelungen. Die Italiener unter Führung von Marchionne hatten im Gegenzug für Firmenanteile bei der Entwicklung neuer Modelle geholfen.

Die Prognose fürs Gesamtjahr hielt Chrysler aufrecht. Der Ford- und GM-Rivale will 2,3 bis 2,4 Millionen Wagen ausliefern und damit einen Umsatz von rund 65 Milliarden Dollar erwirtschaften, was ein Zuwachs von 18 Prozent wäre. Der Gewinn soll sich auf unterm Strich 1,5 Milliarden Dollar mehr als verachtfachen.
Karl3
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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Man ist geneigt, aufzuzeigen, was Fiat alles falsch macht: erstens ist vieles im Nachhinein wesentlich einfacher zu analysieren und zweitens liegt Vieles an den aktuellen Marktbedingungen.

Alle Europäer haben Probleme, mit Ausnahme von ABM, diese machen ihre Umsätze in Asien. Mit anderen Worten, alle jene, die auf einen europäischen Absatzmarkt angewiesen sind. Fiat, Alfa, Peugeot, Citroen, sogar Seat und Ford Europe haben Probleme mit Überkapazitäten und dem Ertrag. Opel/Vauxhall darf wegen Einschränkungen durch die Konzernmutter GM nicht außerhalb von Europa liefern.

Ich würde Herrn Marchionne eine grandiose Weitsicht bescheinigen: zuerst hat er Chrysler gerettet und jetzt Fiat. Während es früher nur Zuschüsse aus Brasilien gab, kommt jetzt auch etwas aus den USA. Künfitge Investitionen sind gesichert. Das neue Fiat- und künftige Alfa-Netz in den USA, das wäre anders nie so zu realisieren gewesen.

Natürlich ist es schlecht für uns, wenn der Jeep Compass/Patriot-Nachfolger und der neue Alfa Kamal C-SUV statt in Mirafiore in Belvidere gebaut werden, aber das sind wirtschaftspolitische Entscheidungen. Solidaridät hin oder her: in der Automobilindustrie kämpft man auf einem Weltmarkt und nicht einmal Italien honoriert, daß in Italien produziert wirde ....

Wenn der Pullover ständig runtergemacht wird, so halte ich das für, sagen wir mal, eine Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Realität.
lanciadelta64
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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Nun ich zuerst einmal hat SM (und sein Team) viele richtige Entscheidungen getroffen. Aber man darf auch nicht Faktor "Agnelli" vergessen, denn die Familie bestimmt im Endeffekt die Spielregeln und SM ist bei aller Freiheit am Ende auch an bestimmten Entscheidungen von oben gebunden. Es gibt Aussagen von ihm, dass er bestimmte Entscheidungen nie getroffen hat, gibt Schuld auch an die alte Gilde (zu Recht), übernimmt auch die Schuld, die ja nicht nur er hat, sondern das Team.

Eines der größten Probleme SM aber liegt in der "Hartnäckigkeit" meines Landes, Veränderungen voranzutreiben. Noch heute leiden die "italienischen" Autos, die in Italien gebaut werden unter bestimmte "Qualitätsschwankungen", sind Sabotage, Diebstahl und Knüngel an der Tagesordnung, ohne dass FIAT die Schuldigen entlassen kann, weil die Geschwerkschaften, speziell die Fiom (CGiL) sich mit Haut und Haaren dagegen wehrt. Marchionne hat es geschafft, in Melfi Stück für Stück, sehr langsam, aber stetig, die Qualität zu verbessern. Wenn ich an den Punto II Restyling denke, der in Melfi gebaut wurde (mein Punto wurde zum Glück in Mirafiori gebaut und man merkt es) und dann die neuen Puntos von heute vergleiche, ist das beinahe ein Quantensprung und dennoch hinken auch Fabriken wie Cassino hinterher und auch Mirafiori ist keine Garantie für "perfekte" Arbeit. Man wird sehen, wie Pomigliano wird (vormals die "Katastrophe" der Gruppe) und dann Mirafiori, wenn komplett überarbeitet.

Dass im Endeffekt SM nicht so "blöd" ist, sieht man darin, dass man es geschafft hat, Chrysler und Co zu einer enormen Qualitätsverbesserung zu verhelfen, was einmal mehr ein schlimmes Bild einer Arbeiterschaft in meinem Lande wirft, die nicht gewillt sich oder nur sehr langsam, sich zu verändern. Die Fabriken selbst in Mexiko haben in Monaten geschafft, wofür Melfi viele Jahre gebraucht hat.

Dennoch gibt es Fehler, die nichts mit Dingen zu tun haben, die man nicht hätte vermeiden können. Erkläre mir, wie bekloppt muss man sein, einem Panda kein ESP zu verpassen, nicht einmal gegen Aufpreis am Anfang lieferbar, wohlwissend, dass genau das Modell im EuroNCaps getestet wird?

FIAT interessiert der EuroNCaps nicht? Dann verstehe ich nicht, wieso man mit der Giulietta in Deutschland und Italien immer noch groß erklärt, dass man das "sicherste" Auto seiner Klasse hat. Dieser Fauxpas wäre zu verhindern gewesen und hat nichts damit zu tun, dass man es hinterher besser weiß. Schon beim Panda II hat man sich einen dicken Fauspas geleistet, denn das Auto mit ausreichenden Airbags wäre ein Auto für 4 Sterne gewesen.

Aber da der EuroNCaps die Version testet, von der man ausgeht, dass sie die "meisten" Kunden haben wird und beim Panda die Basisversion getestet wurde, die damals nur einen Fahrerairbag besaß, war das Ergebnis, wie es war.

Beim Grande Punto hatte man das "kapiert" und die "mittlere" Version, also nicht die Topversionen, mit ausreichenden Airbags ausgestattet und siehe da, es klappte mit den 5. Der FIAT 500 bekam gleich 7 serienmäßig und es klappte mit den 5 Sternen und nun "vergisst" man das mit dem ESP.

Karl, das hätte JEDER DORFTROTTEL wissen können, dass dies nach hinten losgeht. VW wirbt nun "genüsslich" mit den 5 Sternen für den Up!, FIAT bleibt die Aufgabe, das nun "totzuschweigen".

Wäre ich SM, ich hätte die gesamte Truppe in die Wüste gejagt, denn für 200 Euro, die das System dem Endkunden mehr kostet, denen bei FIAT deutlich weniger, hat man nun den Schaden und die Wut der FIAT-Händler Italiens, die nun die Suppe auslöffeln müssen.

Das sind Stockfehler, die NICHT passieren dürfen und dennoch heute passieren.

Dass nun FIAT in Europa "schlecht" läuft, hat natürlich auch in erster Linie mit den Einbrüchen in ITalien zu tun, denn es ist klar, dass FIAT, wenn der italienische Markt gut läuft, auch europaweit in den Gesamtzahlen gut steht, umgekehrt, wenn der Markt hier viel verliert, besonders davon betroffen ist.

Aber der New Panda zeigt ja auch, dass es nicht reicht, ein gutes und neues Produkt auf den Markt zu bringen, sondern es gehört wesentlich mehr dazu. Hinzu kommt, dass das Image "alles" ist und somit ABM samt VW in Europa, in meinen Augen, unumkehrbar dominiert und dominieren wird.

Die Leute wollen immer mehr "Angeberstatus" haben, ergo ist das Image extrem wichtig, ergo werden sich diese Hersteller immer mehr durchsetzen. Alle anderen Hersteller, besonders die PSA-Gruppe, aber auch Opel, Renault oder Ford- leiden in Europa sehr stark an einer Überkapazität. Wenn SM Recht behalten sollte, wird es für die Fans der einen oder anderen Marke noch zu einem bösen Erwachen kommen, entweder in Form einer Pleite oder einer "Fusion".

Aber ich möchte auch eines anmerken, bei aller Kritik an FIAT und SM: Mercedes hat innerhalb von drei Jahren 500.000 E-Klasse-Fahrzeuge verkauft bekommen. Opel vom Insignia mittlerweise auch. Lancia hat in den immer wieder gerne zitierten Zeiten nicht einmal annähernd solche Zahlen mit ihren erfolgreichsten Modellen des D- und E-Segments geschafft. Der Dedra wurde über 400.000 x verkauft, brauchte aber dafür rund 10 Jahre, der Thema kam über 300.000, aber auch in rund 10 Jahren. Anders ausgedrückt, Lancia kam im E-Segment in 20 Jahren, wofür Mercedes drei Jahre brauchte, auf über 500.000 verkaufte Fahrzeuge, im D-Segment ca. 18 Jahre.

Wenn dann Opel trotz dieser "hervorragenden" Bilanz vor der Pleite steht, sieht man daran, wie schwierig es ist, gewinnbringend Autos zu produzieren. FIAT ist selbst in den besten Zeiten in den oberen Segmenten nicht einmal annährend in solchen Zonen gekommen, wohlgemerkt in einer Zeit, als ein italienischer Facharbeiter bei FIAT/Lancia umgerechnet 400 Euro verdiente (800.000 Lire), wofür heute hier keiner arbeiten würde.

Diese Rechnungen müssen sich auch die Leute um SM machen.

Aber er verfolgt auch eine Philosophie, die sehr sehr umstritten ist und sicherlich so nicht in der Ökonomie gelehrt wird, nämlich in Krisenzeiten keine Investitionen zu tätigen. Die PSA-Gruppe hat viele Investitionen getätigt, wurde hier von vielen als "Paradebeispiel" genannt, ohne dass aber etwas wirklich Zählbares dabei herausgekommen wäre, im Gegenteil, die PSA-Gruppe dürfte auf kurz oder lang von GM geschluckt werden.

Bei ABM hat es funktioniert, aber wohl auch in erster Linie, weil die sich Dinge erlauben können, die andere Hersteller in den Ruin treiben würden. SM vertritt den umgekehrten Weg, aber ob diese Philosophie wirklich aufgeht, wird die Zukunft zeigen. Ich bleibe skeptisch, aber andererseits hat SM immer wieder bewiesen, dass er gegen den Strom schwimmend mittlerweile zwei Unternehmen, die von allen für tot erklärt wurden, am Leben gehalten und nicht einmal so schlecht....
mp
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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fragt sich nur, wer bei der nächsten Krise in den USA mehr Luft hat.
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LCV
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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Der Vergleich mit den 500.000 E-Klasse-Autos in 3 Jahren hinkt meiner Ansicht nach. Mercedes ist ein Massenprodukt, wenn auch in der gehobenen Klasse. Klar, kein Vergleich zu Golf, Polo etc., aber gegenüber Marken wie Lancia, Alfa, SAAB, Volvo - auch Jaguar - sind das Massenprodukte. Wer die Individualität bedienen will, muss bei ABM eben Sondermodelle herausbringen (AMG, Motorsport GmbH usw.). Die anderen genannten Marken sind ohnehin schon individueller auf Grund geringerer Stückzahlen. Deshalb kaufte man ja einen Thema oder 9000 oder 164. Die Idee, durch Gleichteile mit dem Croma die Kosten zu senken, war sehr gut und wurde ja auch beim Eurovan nochmals aufgegriffen. Auf diese Weise sind individuellere Autos realisierbar. Dagegen waren Kappa und erst recht Thesis der falsche Weg, um mit geringen Stückzahlen bestehen zu können. Die aktuelle Marschroute mit Chrysler kann sich sogar noch besser auswirken - solange der nordamerikanische Markt boomt. Leider wird das nicht ewig anhalten, aber hoffentlich lange genug, bis sich der europäische Teil des Konzerns so weit erholt hat, dass er die nächste Krise überstehen kann. Diese wird kommen, da der amerikanische Staatshaushalt ja auch nicht gerade auf gesunden Füßen steht. Katastrophal könnte es allerdings werden, wenn die Seifenblase des chinesischen Turbokapitalismus platzt.

Dies alles nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Die aus solchen Überlebensstrategien entstehenden Autos muss man deshalb ja nicht mögen. Aber noch nicht einmal Lancia als Kleinhersteller dürfte es jucken, ob die alten Fans der Marke treu bleiben oder nicht. So müssen wir das mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Die Marke bleibt vorerst erhalten. Aber die Autos entsprechen nicht ganz unseren Wunschvorstellungen. Fairerweise muss man aber zugeben, dass derartige Wunschautos die Marke in den Tod führen würden. Der durchschnittliche Autofahrer lässt sich vom Image blenden, Versprechungen über Garantie, Qualität, Sicherheit usw., obwohl nicht alles einer genauen Prüfung standhalten würde.

Noch ein Wort zu Skoda:
Skoda ist ein sehr alter Traditionshersteller, der nur unter den Kommunisten primitive Kisten bauen musste. Dagegen ist VW ein junger Hersteller. In Italien mag Skoda ein zweitklassiges Image besitzen. Wer bei uns einen Skoda kauft, kauft den besseren Audi oder VW zum niedrigeren Preis. Image dürfte da keine Rolle spielen, sondern kühles Rechnen. Der erste Octavia hatte damals den Audi in allen Kategorien geschlagen und war noch deutlich billiger. Hätte ich die Wahl unter VW, Audi, Seat und Skoda, würde ich immer Skoda nehmen. Zum Glück ist das aber für mich kein Muss. Bezeichnend war die Meldung, dass VW darüber nachdenkt, die Skodamodelle etwas abzuwerten, damit VW oder Audi dem Premiumanspruch gerecht werden. Für mich wäre logisch gewesen, den VW-Leuten in den A... zu treten, damit sie besser werden. Aber so ist es natürlich einfacher.
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lanciadelta64
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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Frank, es ging mir nur darum, aufzuzeigen, warum die deutschen Hersteller auf große Autos setzen können, eben weil sie abgesetzt werden. Du hast im Prinzip immer nur die Möglichkeiten, entweder über höhere Gewinnmargen oder eben über Stückzahlen einen Gewinn zu erzielen. Fahrzeuge wie Thema oder Dedra haben vor allem deswegen mit solchen für deutsche Verhältnisse "geringen" Stückzahlen Gewinne erzielen können, weil sie im damaligen "Billiglohnland" Italien samt der dauernden Lira-Abwertung hohe Margen erzielen konnten.

Der Thema verkaufte sich in Italien vor allem auch, weil er eben NICHT, wie du meinst, "Individualität" ausstrahlte- das taten die deutschen Premiumhersteller, weil ihre Fahrzeuge für den italienischen Markt auch wegen der Luxus-Steuer viel zu teuer waren. Kurz gesagt, er war, wie auch der Dedra in Deutschland "günstig" und dank der italienischen Rahmenbedingungen halt mit großer Gewinnmarge.

Daher ist es heute extrem schwierig, nicht nur für FIAT in den oberen Segmenten Fahrzeuge zu produzieren, die Gewinne einfahren können. Marchionne sprach einmal davon, dass man rund 80.000-100.000 Fahrzeuge verkaufen müsse, um aus den roten Zahlen zu gelangen und das gelänge in erster Linie den deutschen Herstellern, die an diese Zahlen ohne Probleme herankommen.

Daher ist ja auch der New Thema (an den Namen kann ich mich immer noch nicht gewöhnen) bei aller Kritik für Lancia insofern ein "Glücksfall", als dass dank Chrysler und der Möglichkeit, ein Produkt - lassen wir den Markennamen beiseite - weltweit anbieten zu können, auf diese Stückzahlen, die notwendig wären.

Wie gesagt, es ist an sich nicht nur eine Frage der Stückzahlen, denn sonst würden Ferrari und Co nur Verluste einfahren, aber dann muss die Gewinnmarge pro verkauftem Fahrzeug stimmen, wie es wohl bei einem Maserati-E-Segment sein dürfte, der halt dann über den Preis Gewinne erzielen wird.

Ich war am Anfang wegen Chrysler sehr skeptisch, auch wenn ich mir gedacht habe, dass weder die jungen Agnellis noch SM "Selbstmörder" seien und gerade SM zusammen mit Montezemolo hatten ja bei der "Scheidung" von GM bewiesen, wie fähig die beiden sind.


Sicherlich ist Lancia als Brand in Europa allein nicht zu halten, eben weil man a) nicht die Preise durchsetzen kann, die ABM und sogar VW durchsetzen können und b) einfach nicht zu den Stückzahlen kommt, die man bräuchte.

Daher ist die Chrysler-Allianz für Lancia sicherlich zuerst einmal eine "Versicherung" und wie die neuen Produkte sein werden, kann keiner vorhersehen. Der aktuelle Delta und Ypsilon wurden ja noch vor der Chrysler-Allianz entwickelt und nicht wenige, auch hier zählten zu den schärfsten Kritikern, ergo bedeutet weder die Tatsache, dass ein Produkt einzig in Italien entwickelt wurde, für eine breite Akzeptanz noch dass ein paar Modelle von Chrysler kommen (werden).

Der NT ist insofern ein "Glücksfall, weil er eben "nichts" kostet und ich bin überzeugt, dass selbst ein eigenständiges Lancia-Modell in dem Segment nicht automatisch einen Erfolg garantiert hätte, aber sehr wohl stark rote Zahlen schreiben lassen.

Der Voyager ist ein riesiger Van, aber in seiner Art wiederum besser als diese "Kastenwagen" wie den Vito von Mercedes, um hier einen zu nennen, der am Flughafen von Fiumicino wie "Sand am Meer" herumfährt (als "Leihwagen mit Fahrer")

Dass ich die E-Klasse und auch den Insignia hier aufgeführt habe, hatte den Grund, dass einige die Quadratur des Kreises fordern, also einerseits ein Auto, das "individualistisch" sein sollte, aber dennoch von "vielen" gemocht, das sehr günstig sein sollte, aber dennoch alle Extras serienmäßig anbieten und dann natürlich auch noch Gewinne abwerfen.

Die FIAT-Gruppe muss also im Prinzip mit deutlich geringeren Stückzahlen operieren und somit seine Haushaufgaben machen. Die deutschen Hersteller brauchen die "Menge", sonst gelangt man schnell in die Verlustzone, wie das Beispiel Seat zeigt. Seat verkauft im Jahr mehr als Lancia und Alfa zusammen und obwohl man nicht selten auch noch eine 1:1 Kopie ist (Seat Exeo, Mii, früher Lupo), sorgt man für hohe Verluste.

Sicherlich werden dabei Fehler gemacht, aber die Hauptschwierigkeit ist eben, dass man etwas "schaffen" muss, was beinahe unmöglich ist, nämlich einerseits günstig sein, andererseits aber genügend produzieren, dass die Produktion auch gewinnbringend ist und nicht wie beim Thesis, zu einer riesigen "Katastrophe" für die Gesamtgruppe führt.
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LCV
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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Vollkommen einverstanden. Das mit der Individualität habe ich auch nicht auf Italien bezogen, sondern auf den Rest Europas. Und was von den Fans alles gefordert wird, wäre das Todesurteil für die Marke. Man muss langsam aufbauen, damit man eine gesunde Basis hat. So halte ich es nach wie vor für unsinnig, für ein absolutes Nischenprodukt wie das New Flavia Cabrio X Motorisierungen zu fordern. Ich finde es gut, dass man endlich wieder ein Cabrio hat. Sollte es sich einigermaßen etablieren, kann man nachlegen. Die Fehler liegen in der Vergangenheit. Man hätte immer am Ball bleiben müssen und nicht leichtfertig über viele Jahre ganze Segmente aufgeben dürfen. Aber das sind nun mal Fakten und es hilft nicht, wegen der Vergangenheit zu jammern.

Im übrigen kann man den Thema nicht gerade als Billigauto bezeichnen. Ein komplett ausgestatteter 3.0 V6 LX hatte seinen Preis. Sicher waren vergleichbare BMW und Mercedes noch teurer, aber in diesem Preissegment kann man nicht mehr von Supersparangeboten reden. Und DM 60.000,-- waren viel mehr wert als EUR 30.000,--. Darin liegt auch ein Teil der Absatzschwäche in Europa. Man will uns zwar einreden, dass wir keine drastische Teuerung hätten, aber im Jahr 2000 konnte man als Alleinverdiener mit DM 4.000,-- netto die Familie super versorgen, Kfz-Kosten, Lebensmittel, Miete, Versicherungen und Energie zahlen, ab und zu mit der Ehefrau essen gehen und ein schöner Urlaub war auch noch drin. Man versuche das mal mit EUR 2.000,-- ! Es würde mich schon interessieren, wieviele Neuwagen tatsächlich den Leuten gehören. Ich denke, die meisten gehören der Bank oder sind geleast. Diese Privatverschuldung geht auch nur bis zu einem bestimmten Punkt. Dann kommt der große Knall.
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lanciadelta64
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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Nun war mit dem "Billigauto" etwas überspitzt gemeint, denn klar, dass gerade bei den italienischen Preisen für Lancia (in Italien kosteten die Italiener, je nach Modell und Marke, im Schnitt zwischen 5.000 und 10.000 Mark mehr, ein Lancia Dedra Turbo kostete mit der Ausstattung, die ich hatte, rund 12.000 Mark mehr), aber im Verhältnis zu den deutschen Herstellern war man dann doch ein "Massenprodukt", weil eben "bezahlbar". Nicht umsonst ist der 2,8-V6 in Italien nahezu unbekannt gewesen und fast ausnahmslos alle 2,0 oder 2,0 Turbo, beim Croma war die meistverkaufte Variante der 2,0 CHT mit 90 PS.

Sicherlich hat sich auch das Konsumverhalten in Italien gerade in Sachen PKW drastisch verändert. Früher "verschrottete" man ein Auto fast überhaupt nicht, sondern blieb dann noch als "Zweitwagen" lange erhalten. Im Prinzip kaufte man sich ein Auto, hielt es, bis es auseinanderbrach, um sich dann wieder ein neues zu kaufen. Auf Pump ein Auto zu kaufen, war beinahe eine "Gotteslästerung", zum das Auto in Italien bei den meisten Menschen eher an zweiter Stelle kam und zuerst das eigene Heim.

Das hat sich heuer geändert und Auto auf Pump ist weit weniger selten, als in früheren Jahren. So gesehen hat SM sicherlich recht, wenn er meint, in Europa gebe es eine tickende Zeitbombe und eine "Überkapazität", denn sicherlich gibt es eine "Übersättigung".

Ich habe nichts gegen das Flavia Cabrio, aber ich habe Angst, dass gerade hier in Italien - wo das Fahrzeug von 99,9% aller Leserbriefe total nieder gemacht wurde - speziell mit diesem einen Motor nahezu unverkäuflich ist.

Ein 2,0 MTJ wäre wesentlich "schmackhafter" geworden, aber am Ende ist nicht das wichtig, was ich meine, sondern was die Zahlen hergeben. Ich irre mich gerne und wichtig ist nur, dass man am Ende die richtigen Kalkulationen gemacht hat und nicht mit aberwitzigen Zielen angetreten ist, auf die man die eigene Kalkulation aufgebaut hat.

Nun in der Vergangenheit wurden extrem viele Fehler gemacht und FIAT zahlt heute noch den Preis dazu. Es ist wirklich so, dass man über 10-15 Jahren kaum noch Entwicklung betrieben hat, spätestens seit der Abmachung mit GM, die ja die Übernahme der FIAT-Gruppe vorsah, schon sich in Auflösungserscheinungen befand.

Die Konkurrenz aber ist ja nicht stehen geblieben. Dieses Handicap aufzuholen und dann auch noch mit einer "Bonität" bei den Banken, die nicht vorhanden war. Hand aufs Herz, welche Bank hätte um die Jahrtausendwende FIAT auch nur eine Lira gegeben?

Dazu hat Agnelli - und hier kann ich den Hass meiner Landsleute zum Teil verstehen - Gelder aus FIAT herausgezogen und diese auf Offshore-Konten deponiert. Das Prinzip funktionierte sehr einfach: FIAT hatte Krise, ergo fragte man den Staat - zumal Agnelli Senator auf Lebenszeit war ;) - ob er nicht helfen könne, weil man sonst viele Leute entlassen müsse. Der Staat half, das Geld wurde wieder herausgezogen, die nächste Krise, wieder Unterstützung von Land, Region, Provinz und Städte der Produktionsstätten, um das Geld weiter wegzuschaffen.

Das ist das eigentliche Dilemma gewesen und von dieser destruktiven Phase hat FIAT sich bis heute nicht erholt, zumal das Image gerade in Italien katastrophal, so schlimm, dass eine bis vor kurzem an der Macht stehenden Regierungspartei das für Stimmenfang genutzt hat.

Anders gesagt, wer FIAT in Italien hilft, verliert jede Wahl, wer mit dem Hammer droht, kann Stimmen gewinnen. So eine Stimmungslage haben weder die französischen Hersteller im eigenen Land, noch die deutschen in ihrem und ist gerade für ein Hersteller, der so vom "Mutterland" so abhängig ist wie FIAT schon beinahe eine Katastrophe.
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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Noch mal kurz zur Flavia. Ich weiß, dass Du nicht viele Motoren gefordert hast, sondern nur einen anderen. Es gab aber auch Stimmen, die gleich eine ganze Motorenpalette haben wollten. Andererseits hast Du uns ja erklärt, dass man in Italien Cabrios ohnehin kaum verkaufen kann. Wenn das so ist, könnte man ja darauf verzichten und das Cabrio nur nördlich der Alpen anbieten. Und für diese Zielgruppe sollte man den bestmöglichen Motor finden. In der Schweiz und in Deutschland wäre das garantiert kein Diesel. Ein großer, durchzugskräftiger Motor ist hier kein KO-Kriterium. Ein Cabrio in dieser Klasse ist ohnehin ein Luxusgut, wohl in den meisten Fällen Zweit- oder Drittwagen. Geld spielt da bei weitem nicht die Rolle wie bei der Entscheidung zwischen einem kleinen Fiat, Renault, Citroen oder gar Dacia.
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Karl3
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Re: Chrysler im Temporausch – doch Fiat stottert

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Da bin ich zu 100% Deiner Meinung!
- wenn auch nicht bei der Flavia ;-)

Das mit dem ESP im Panda ist natürlich ein Kardinalfehler. Besonders wenn man jetzt auch direkt gegen VW antritt, wo häufig mit Qualität & Sicherheit argumentiert wird: jetzt gibt es sozusagen den Beweis "schwarz auf weiß"! Aber kann man so einen NCAP-Test nicht erneut beantragen ? Was ist, wenn ein Modell überarbeitet wird ?

Interessieren würde mich auch, ob das einfach "verschlampt" wurde, dh übersehen, oder ob man sich "bewußt" dafür entschieden hat, dh das Risiko genommen, in der Meinung, das sei eh nicht so wichtig ...
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