Ciao Andreas
Wenn man die italienische Geschichte nicht kennt und/oder sich nicht mir ihr beschäftigt hat, wie wohl logischerweise fast alle außerhalb Italiens (und manchmal auch innerhalb des Landes

) wird man viele Dinge nur sehr schwer bis gar nicht nachvollziehen können.
Fakt ist, dass ein Teil der Gewerkschaften sehr militant ist und sehr militant war. Man muss nur die 70er Jahre sehen, um das zu verstehen. Ja eigentlich sind sie heute im Vergleich dazu sehr "zahm" geworden, beinahe wie ein "zahnloser" Tiger.
Wie gesagt, es ist alles von außen her - und nicht selten auch von innen - sehr schwer zu verstehen. Wir haben - anders als in Deutschland - eine Vielzahl von Gewerkschaften, teilweise mit Absicht von den USA gefördert, um den größten Gewerkschaftsverband, der CGiL, zu entmachten und diese Gewerkschaften haben nicht selten auch noch die Politik der Regierungen der DC und Co unterstützt und dienten eher als "verlängerter" Arm. Nicht umsonst gehörten sie zum Teil zu bestimmten Parteien (DC/PSI)
Man muss auch verstehen, dass sehr oft - leider auch von FIAT - Vereinbarungen gebrochen wurden. Wir haben hier oft Segmente, die seit vielen Jahren keinen rechtsgültigen "Manteltarifvertrag" haben, weil die alten Verträge lange abgelaufen sind und nicht erneuert wurden.
Dazu kommen dann solche "nette" Geschichten wie die Schließung von Arese und vor allem - für uns Lancisti besonders schmerzlich - von Chivasso - hinzu. Chivasso war in den 90er Jahren die zu dem Zeitpunkt modernste FIAT-Fabrik auf italienischem Boden (Melfi wurde 1993 fertig). Dazu stand das Werk in einer Region, die mit der Industrie aufgewachsen ist, deren Menschen also auch diesen Rhythmus innehatten, allerdings auch gewerkschaftlich sehr gut organsiert waren.
Pomigliano dagegen war schon zu Alfa-Zeiten eine "Katastrophe" und ist es bis vor ein/zwei Jahren geblieben. Also warum sollte man eine intakte Fabrik, die eine modernere Lackierstraße als in anderen Fabriken hatte, die im Vergleich zu den anderen Fabriken qualitiver arbeitete und vor allem effinzienter geschlossen werden?
Es war ein Politikum, zumal viele Versprechen und Abmachungen nicht eingehalten wurden. Besonders "kurios" ist ein Gerichtsurteil, wonach FIAT die Leute, die ja bis zu dem Zeitpunkt eben nicht entlassen waren, sondern in "Kurzarbeit ohne Arbeitsstunden" (der Staat bezahlt, aber offiziell sind die Leute noch im Betrieb beschäftigt), wieder in voller Beschäftigung bringen sollte. Kurios, weil FIAT am Tag des Urteils das Gericht und die Leute vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, nämlich die Fabrik mit Planierraupen den Erdboden gleich gemacht hatte.
Der Skandal daran - viele "Alt-Lancisti" können davon ein Lied singen - dass fast neue Pressen, neue Maschinen, die man wenigstens hätte verkaufen können, beispielsweise zwecks Ersatzteilenachbauten, einfach mit vernichtet wurden.
Man muss also immer daran denken, dass in Italien gerade wegen seiner Geschichte, wegen des starken Einflusses der USA (nicht immer im positiven Sinne, CIA lässt schön grüßen, mit nicht selten indirekter Teilnahme an niemals aufgeklärten Attentaten) einerseits, der "demorazia bloccata" dank einer sehr starken Kommunistischen Partei, die wirklich Italien zu einem "Spielball" der Großmächte werden ließ und in diesem Kontext muss man gewisse Dinge sehen und nur dann versteht man einen "Silvio" oder beispielsweise diese verabscheulichen militanten Reaktionen.
Andreas, verstehe mich nicht falsch, ich unterstütze das nicht und bin mehr als einmal auf Konfrontationskurs zur CGiL gegangen, die gerade heute aus Eigeninteresse Positionen vertritt, die bei einem Teil des eigenen Klientels vielleicht gut ankommen, aber für das Land eine einzige Katastrophe bedeutet. Nach Jahren einer insgesamt sehr gemäßigten Führung ist die neue Führung auch verbal auf Konfrontationskurs aus und das erinnert mich an "alte" Zeiten. Diese streitbare Dame hat sich gerade SM als "Intimfeind" auserkoren und genauso diese aktuelle Regierung, wichtig nur "GEGEN"; egal was kommt, bloß nicht den Status Quo ändern, der aber in Italien bedeutet, dass gerade eine ganze Generation an Menschen nicht in Arbeit kommt. Die Gesamtarbeitslosigkeit ist zwar in der Krise gestiegen (sie lag lange Zeit unter die Deutschlands), aber insgesamt immer noch moderat, aber die der Jugend ist gewaltig und zählt zu den höchsten ganz Europas (rund 1 Drittel der unter 30 Jährigen ist ohne Arbeit).
Also noch einmal, ich heiße das nicht gut und unterstütze es nicht, im Gegenteil, aber man muss gewisse Dinge verstehen, sonst bekommt man ein falsches Bild. In Italien ist es nicht immer klar, wer Täter und Opfer ist, manchmal ist das, was nach außen scheint, nicht die Wirklichkeit oder nur zum Teil und umgekehrt. Oft sind die Grenzen schwimmend, nicht klar definiert.
Saluto
Bernardo