Page 4 of 10
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 10:20
by rainer
Bravo! Schöner hätte ich es nicht schreiben können. Unterschreibe alles. Der Misserfolg hängt allerdings auch mit der Finanzierung zusammen. Die FIAT Bank hat immer schlechte Leasingkonditionen, auch für die neuen Delta. Autos aus der Gruppe des Thesis werden meist von Unternehmen geleast und da dominiert der Preis.
Wenn Lancia / FIAT-Bank am Leasingangebot für den Delta nichts ändert bleibt der auch im Geschäftswagensegment außen vor.
Barkäufer sind selten, ich habe den Thesis ja auch nur privat zum Spielen gekauft. Die Dientwagen waren alle geleast.
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 12:51
by Frankg
An Audi ist genau soviel deutsch, wie an Lancia italienisch.
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 13:21
by Frankg
Leider, leider spielen die Kosten, oder der vermutete Verkaufserfolg heute eine größere Rolle als früher.
Vor lauter Angst etwas falsch zu machen riskiert man gar nichts und kopiert die bereits erfolgreiche Konkurrenz.
Das geht so lange bis man sich komplett vom Markt entfernt hat und ein neues Unternehmen, vielleicht durch Zufall, vielleicht durch Intuition genau die Dinge umsetzt die der Markt will.
Nur wo soll so etwas in der Automobilindustrie plötzlich herkommen?
Allenfalls aus China oder Indien. Nicht weil es da schön billig ist, sondern weil man da bei Null beginnen kann.
Allerdings ist die Schuld nicht allein den Unternehmen zuzuschreiben. Extravagantes wird einfach schlechter verkauft. Das ist ein Fakt.
Was in geringeren Stückzahlen verkauft wird ist teurer in der Herstellung oder schlechter in Technik und Ausstattung und findet daher noch weniger Kunden.
Das ist ein klares Marktgesetz.
D.h. wenn alle Welt den Golf will, dann hat das vor allem den Grund, dass ein Golf die individuellen Bedürfnisse der Mehrheit am besten befriedigt.
Das mündet dann in einem relativ neutralen Design und einer wenig extravaganten, aber relativ zuverlässigen Technik.
Ob man das jetzt gut oder schlecht findet: die Mehrheit hat einen mittelmäßigen Geschmack.
Diesen Leuten hätte ein Thesis nicht einmal gefallen, wenn er perfekt gewesen wäre. Denn mit so einem Auto kann man in der Masse nicht untergehen.
Es ist vielen Leuten aber sehr wichtig nicht aufzufallen.
Dass Italienische Autos in Italien besser verkauft werden hängt auch nur sehr indirekt mit einem vermuteten besseren Geschmack der Italiener zusammen.
Es ist viel einfacher. Italienische Autos kaufen beispielsweise auch Leute die patriotisch kaufen wollen, daher sind mehr dieser Fahrzeuge auf dem Markt, sie gehören zu Straßenbild und erlauben auch demjenigen, der lieber unauffällig bleiben will, die Nutzung eines solchen Autos.
Deswegen sieht man auch in Frankreich mehr französische Autos. Aber auch dort ist der Geschmack eher bieder. Beispielsweise ist der letzte Megane (den ich erfrischend und
gelungen fand) wenig erfolgreich gewesen. Die jetzige Version ist deutlich langweiliger und konventioneller und verkauft sich besser.
Ich weiß, dass ich einen ungewöhnlichen Autogeschmack habe und genieße das auch. Allerdings habe ich volles Verständnis für jeden, der nicht mit mir teilt.
Ich möchte nur nicht, dass die Situation eintritt, dass die von mir bevorzugte Marke aufhört zu existieren, weil sie nicht einmal mehr den Geschmack ihrer ohnehin schon kleinen Zielgruppe trifft - was im Fall des Thesis wohl mehr als offensichtlich so war.
Gutes Design definiert sich entweder durch eine hohe Marktakzeptanz (z.B. Golf, Mercedes) oder durch ein genaues Treffen der anvisierten Zielgruppe (z.B. Ferrari, Porsche).
Lancia trifft derzeit weder seine Zielgruppe (sofern sie noch eine haben), noch sind die Akzeptanzwerte hoch. Das sieht nicht wirklich gut aus.
Gruß
Frankg
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 13:46
by lanciadelta64
Das Problem des Thesis ist ja nicht allein der deutsche Markt, wo Lancia selbst in der Blütezeit nicht wirklich hohe Verkaufszahlen hatte. Allein vom Golf werden in guten Jahren hier in Italien fast mehr umgesetzt als die gesamte FIAT-Gruppe in Deutschland in der Blütezeit verkauft hatte. Der Thesis hat sich eben auch nicht in Italien verkauft und auch hier spaltet sich die Fan-Gemeinde. Die überwiegende Mehrzahl der Lancia-/Fiat-Fans samt der Thesis-Besitzer schwören auf das Auto, aber für viele war er natürlich unerschwinglich. Wer Geld hat, kauft Deutsch, das ist schon immer so gewesen. Mir hat einmal meine Kollegin gesagt gehabt, dass die deutschen Autos immer ein Traum für Italiener waren und sind. Man fährt Italienisch, weil es vielleicht kostengünstiger ist, weil man eine bessere Ersatzteilversorgung hat, aber selten aus dem Grund, weil man "Italienisch" fahren will. Das sagte sie mir, als ich Anfang der 90er Jahre nach Italien zog. Damals verkaufte sich die FIAT-Gruppe noch sehr ordentlich in Italien.
Ich hatte sie damals für verrückt erklärt, weil die Verkaufszahlen das zu widerlegen schienen, doch mittlerweile muss ich ihr recht geben. Es ist das, was ich hier in dann auch in den darauffolgenden Jahren zu hören bekam. Mit den Jahren füllten sich die Brieftaschen vieler Italiener, wurde mehr in Autos investiert, wurde das Auto mehr zum "Statussymbol" als vielleicht in den früheren Jahren, wo das eigene Haus, die Eigentumswohnung in absoluten Vordergrund stand. Es wuchs eine andere Generation heran, die beispielsweise alle mittlerweile mobil sind. Meine Generation fing mit den Autos erst an, die Generation davor fuhr FIAT 500 oder "Ape" von Piaggio und die Frauen hatten fast nie einen Führerschein, heute dagegen hat jede Familie mindestens 2 Autos, wenn nicht sogar drei oder vier.
Der Niedergang der Gruppe macht sich in erster Linie auf dem italienischen Markt bemerkbar, weniger im Ausland, denn so viele italienische Fahrzeuge wurden selbst in der Blütezeit nicht verkauft. Es waren zwar höhere Stückzahlen, aber kein Vergleich zu dem, was hier teilweise ein einziges ausländisches Modell an Verkaufszahlen hat. Die großen Märkte wie Deutschland und Frankreich waren IMMER in nationaler Hand und sind es bis heute geblieben, während für FIAT der italienische Markt regelrecht weggebrochen ist. Man verkauft mehr in Brasilien als in Italien. Das ist die traurige Wahrheit.
Ich bin der festen Überzeugung, selbst wenn Lancia einen Thesis wie ein Audi A6 oder eine Mercedes E-Klasse herausgebracht hätte, wären die Verkaufszahlen nicht höher gewesen, vielleicht sogar noch niedriger, was kaum noch möglich ist.
Von einem Marktanteil von über 60% ist man in Italien in der Krisezeit auf 27% geschrumpft. Selbst mit einer fast komplett neuen Modellpalette liegt man zurzeit bei ca. 31-32% und ich glaube kaum, dass FIAT jemals über einen Drittel Marktanteil in Italien hinauskommen wird.
Ein FIAT Bravo verkauft sich in Italien gerade einmal wie ein VW Golf und weder die Optik noch die Substanz können allein dafür der Grund sein. Das angestrebte Ziel sind 120.000 Einheiten weltweit, vom Delta sollten es 50.000 bis 70.000 sein. Für solche Ziele würde man bei VW nicht einmal ein Blatt Papier zur Planung herausholen. Als der Golf 5 am Anfang seine erhofften Ziele mit 600.000 Einheiten knapp verfehlte, war man bei VW schon in Alarmbereitschaft.
Wie also in Gottes Namen sollte ein großer Italiener sich verkaufen, wenn nicht einmal die eigentliche Domäne, kleinere Fahrzeuge, zum großen Erfolg landen? Der FIAT Panda verkauft sich riesig, aber in erster Linie verkauft er sich in Italien. Außerhalb sind die Stückzahlen eher bescheiden. Das Gleiche gilt für Ypsilon und Musa. Lediglich der 500 verkauft sich halbwegs gut auch im Ausland, aber auch das sind Stückzahlen, da lacht die VAG-Gruppe dumm und dämlich.
Mercedes hatte einen "Kipper" namens A-Klasse. Wenn diese A-Klasse ein FIAT, Lancia oder ein Franzose gewesen wäre, wären keine Autos mehr verkauft worden. Schlimmer noch, man hätte kaum noch ein Auto dieser Gruppe gekauft. Die A-Klasse aber wurde im Nachhinein ein riesiger Erfolg, auch mit Billigplatik mit teilweise Lösungen, die FIAT im Kleinwagensektor nicht einmal mehr vor 30 Jahren so konstruierte.
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 14:21
by lanciadelta64
http://it.youtube.com/watch?v=m-fzOvP3tiE&NR=1 Lancia Thesis-Werbung, für Thesis-Fans
http://autodimerda.blogspot.com/2008/12 ... hesis.html : das sollten sich die Thesis-Fans nicht antun, denn die Kommentare unter den Bildern sind teilweise sehr bissig... (in Italienisch)
An Alle FIAT Duna-"Fans":
http://autodimerda.blogspot.com/2008/11 ... g-con.html (sehr böse Kommentare unter den Bildern´)
http://autodimerda.blogspot.com/2009/01 ... rlina.html : das sollten sich die Lancia-Beta-Fans nicht antun, denn auch hier sehr bissige Kommentare
http://autodimerda.blogspot.com/2008/11/fiat-oggi.html : ein Fiat Modell, dass ich noch gar nicht kannte, ein FIAT 127 Fließheck, auch mit bissigen Kommentaren
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 14:37
by Frankg
Der Thesis kam mit seinen Retrolook einfach viel zu spät auf den Markt.
Auch das ist ein Grund. Wäre er planmäßig am Markt gewesen hätte er den damaligen Trend mitnehmen können.
Zudem hat er nunmal gewaltige Schwächen im Außendesign, die selbst seine eigenen Designer moniert haben.
Z.B. viel zu kleine Scheinwerfer in der riesigen Leere des Blechs und die umgekehrte Dynamik (vorne hoch, hinten niedrig),
die aber leider durch Anpassung an neue Fussgängerschutzvorschriften nicht umgesetzt werden konnte.
Eine dadurch notwendig gewordene Korrektur an den Gesamtproportionen konnte in dem späten Stadium der Entwicklung nicht mehr durchgeführt werden.
Fakt ist, dass man sich mit der Umsetzung der Dialogos-Studie in die Realität eines Serienfahrzeugs mit vollkommen anderen Proportionen total vergaloppiert hatte.
Wenn genug Geld und Zeit vorhanden gewesen wäre, hätte man an der Stelle grundlegende Änderungen in Absprache mit der Konstruktionsabteilung durchführen müssen.
Dazu kam es aber nie.
Wen die Hintergründe dazu interessieren, kann den betreffenden Artikel mit den Interviews der Designer des Thesis in der Auto&Design nachlesen.
Sicher kommt noch dazu, dass die ehemalige Zielgruppe (Thema, Kappa ) mit dem radikalen Wechsel nichts anfangen konnte.
Ob das was mit Reife zu tun hat wage ich zu bezweifeln. Der Thesis ist weit mehr auf passives Fahren ausgerichtet. Die Thema waren fahraktiv.
Der Thesis hat ein auf einen modischen Trend ausgerichtetes Design. Thema und Kappa hingegen sind eher klassisch-modern und zeitlos ausgerichtet.
Mit dem Erfolg, dass der Thesis bei seinem Erscheinen schon alt aussah, weil er zu spät kam.
Kappa und Thema waren eher alltagstauglich ausgelegt. Der Thesis hingegen ist von der Flexibilität sehr eingeschränkt zumal es nie eine Kombiversion gab, die in diesem Segment nun mal sehr wichtig ist. Völlig unverständlich, da Lancia mit dem Beta HPE dem Kombi erstmals das Lastesel-Image genommen hat.
Schade, mit einem 500 Millionen-Etat hätte man eigentlich mehr erreichen können.
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 15:06
by lanciadelta64
...Marchionne hat denn auch gemeint, die über 500 Mio. Entwicklungskosten haben sehr wehgetan, weil man sie "besser" hätte anlegen können und damit ist nicht FIAT gemeint gewesen, sondern für Lancia. Mag sein, dass der Thesis mit seinem Retrolook zu spät kam, kann sein, dass für viele es ein Stilbruch war, aber BWMs 7er ist auch keine Schönheit gewesen, teiweise total verkorstes Design und dennoch trotz Naserümpfen BMW-Fans wurde es ein Erfolgsmodell. Die FIAT Gruppe hat außerhalb Italiens NIE große Verkaufszahlen gehabt. Achtungserfolge vielleicht, aber wenn du bedenkst, dass die VW-Gruppe mit Ausnahme Frankreichs durchweg überall große Verkaufszahlen erringen kann und BMW und Mercedes außerhalb Deutschlands erfolgreich sind und das nicht unbedingt immer mit harmonisch schönen Fahrzeugen, kann das Design allein nicht der Grund gewesen sein. Man hätte vielleicht das eine oder andere Auto mehr verkauft, aber nicht wirklich in großen Stückzahlen. Nur einmal der italienische Markt weggebrochen, war der Untergang vorprogrammiert. Das Problem liegt in meinen Augen auch im Image. Deutsche Autos stehen für das Deutsche, italienische Autos für das Italienische, auch für die negativen Seiten. Wenn ein Italiener nach Deutschland kam, sah er überall große hubraumstarke deutsche Autos, ergo "Deutsche sind reich, sind wohlhabend, sind toll". So will ich auch sein. Der Erste, der sich dann so ein Auto "leisten" kann, wird sofort von den Nachbarn, Freunden, Arbeitskollegen umzingelt" und der Rest wird dann zum Selbstläufer, zumal dann die italienische Presse fast noch deutschfreundlicher sind als die deutschen Zeitungen selbst. Wenn ein Ausländer nach Italien kommt, sieht er fast nur ausländische Autos. Was soll er also denken? "Wieso sollen wir deren Autos kaufen, wenn die nicht einmal selbst ihren eigenen Produkten vertrauen?"
Meiner Meinung hätte Lancia einen Audi A 8 mit Lancia-Emblem verkaufen können, die hätten kein Fahrzeug mehr verkauft, zumindest nicht in Italien und ich glaube kaum, auch im Ausland, denn seien wird doch ehrlich, Lancia wurde selbst in meiner Zeit in Deutschland vor 20 Jahren belächelt. Es war halt ein "Italiener", ein Auto von "Itakkern". Die Franzosen haben früher wie heute ihrer einheimischen Produktion den Vorzug gegeben. Österreich und Schweiz sind mit ihren geringen Stückzahlen nicht wirklich entscheidend für Erfolg oder Flop einer Automarke, dazu, wenn ich mich nicht irre, ist der österreichische Markt auch immer in deutscher Hand gewesen, oder?
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 17:44
by GWB
Und vielleicht wollen gerade deshalb die nicht-Deutschen es deutscher machen als die Deutschen, und die Nicht-Italiener italienischer als die Italiener.
Und so kommt es zu den ins Extrem übersteigerten Klischees: Deutsche Autos = sachliches, großes Design, italienische Autos = verspieltes, extravagantes Design.
Statt einfach mal normal zu bleiben.
Grüße,
GWB
(dem das Äußere von Autos herzlich egal ist, weil man sie zu >90% der Zeit ohnehin von innen erlebt.)
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 17:55
by rainer
Dto. ich sitze auch immer innen

und mir ist die Qualität der Innenausstattung sehr wichtig. Deshalb fahre ich auch keinen Mercedes mehr. Der Nachfolger vom W 140 hat bei der S-Klasse den Trend zu billigen Kunststoff eingeleitet. Der Thesis ist innen von der Haptik und von der Verarbeitung her eine Ausnahmeerscheinung.
Wer mehr auf Außen schaut braucht halt so einen Sozialprestigieanheber oder Potenzmultiplizierer. Jedem das seine.B) Es gibt ja Leute die langsam an Schaufensterstraßen vorbeigleiten um Ihren Wagen zu bewundern. Ich schau der eher nach anderen Sachen....
Re: Thesis-unbekannte Schönheit?
Posted: 30 Jan 2009, 18:05
by lanciadelta64
Es ist ja auch halt eine Erwartungshaltung. Ein BMW muss wie ein BMW aussehen, ein Audi wie ein Audi, ein VW halt wie ein VW und ein Italiener wie ein Italiener. Den hauseigenen Designern sind halt die Grenzen gesetzt, oder wie würde man sonst einen SEAT Leon von De Silva sehen, der eher mediterran aussieht und der Golf halt typisch deutsches Biedermann-Auto?
Die "freien" Designer dagegen gehen dann "hausieren". Siehe Seat Ibiza I oder Daewoo Matiz. Der Ibiza sollte eigentlich ein Autobianchi (Lancia) y10 werden. In Turin aber wurde Giugiaros Entwurf verworfen und er bot Seat diesen Entwurf an, woraus der Ibiza entstand. Beim Matiz war es ähnlich. Der Entwurf war eigentlich für den FIAT Cinquecento (der jetzige FIAT 600) gedacht. Er kam damit nicht durch, ergo verkaufte er den Entwurf an Daewoo.