Die Probleme der FIAT-Gruppe gab es vor der Geschichte mit Chrysler. Ja Chrysler hat in gewisser Weise eher etwas ermöglicht, was sonst nicht möglich gewesen wäre.
Wir drehen das Rad der Zeit zurück:
FIAT hat gerade die größte Krise seiner Geschichte "überwunden" und Marchionne gibt die Maxime heraus: Jedes Modell muss sich selbst tragen und die genügend Erfolg haben, um die nachfolgende Generation zu rechtfertigen. Die Zeiten des "Geldvernichtens" in "unsinnige" Projekte sind vorbei. Cabrios und Coupés haben FIAT "immer" nur Verluste beschert. Neue Modelle werden NUR DANN angepackt, wenn man die Kosten teilen kann.
Flavia Concept und TrePiu1-Projekt (FIAT 500) werden komplett auf Eis gelegt, weil man kein Geld hat, diese Projekte zu stemmen. Der FIAT Croma ist ins Leben gerufen, sorgt aber für tiefrote Zahlen, der Thesis ist gar eine "Geldvernichtungsmaschine" und kostete rund 500-600 Mio. Entwicklungskosten, womit man gleich mehrere Produkte entwickeln hätte können.
In den folgenden Jahren verfolgt FIAT die "PSA-Gruppe"-Strategie (Die Familien Agnellis und Peugeots sind eng miteinander befreundet) und Marchionne sucht weltweit Partner, mit denen man gemeinsam Projekte starten kann, um die Entwicklungskosten zu sparen.
Mit Ford bekommt man einen ins Boot und man kann endlich den TrePiu1 in die Tat umsetzen. Mit Tata geht man eine Partnerschaft ein, um im asiatischen Raum besser aufgestellt zu sein und mit der Übernahme Rovers und Jaguars bekommt FIAT - so glaubt man - eine Chance, dank dieser Kooperation zwischen Tata und FIAT andere Projekte zu starten.
Aber dies geschaltete sich als schwieriger als man glaubte, denn der Tata-Chef ist keine "einfache Person" und meinte, "nix da, ich behalte die Dinge für mich allein".
Marchionne bietet sein Bravo-Plattform auch anderen an und sucht verbissen nach "Verbündete".
Es kommt zur Finanzkrise und das zuvor bestehende System bricht zusammen. PSA-Gruppe in der Krise, Renault sowieso, Opel pleite, weil auch GM pleite ist, Ford rettet sich halbwegs, aber in Europa sieht es auch übel aus.
Damit scheiden über Nacht fast alle möglichen Partnern aus. Eine Kooperation mit BMW scheitert (du kannst dir vorstellen, wieso

) und FIAT schaut nach Fusionsmöglichkeiten, weil FIAT zu klein ist, um allein zu überleben, zu groß, um einfach geschluckt zu werden.
Also kommt die Idee mit der PSA-Gruppe auf, aber hier gibt es Probleme mit der "Kontrolle". Die Franzosen wollen die Mehrheit haben, die Agnellis sind nicht bereit, die eigene aufzugeben. Die Franzosen wollen Frankreich als Sitz, FIAT Turin usw. usw. usw.
Und da kommt die Idee mit Chrysler. FIAT hat riesige Probleme mit großen Motoren und größeren Plattformen, ist stark bei den kleineren Plattformen und auch kleineren Motoren. Also gibt es eine Schnittmenge.
Man bekommt 20% Chrysler-Anteile umsonst. Einzige Bedingung ist der Techologietransfer - der im Übrigen in beiden Richtungen geht - womit FIAT diese Anteile bezahlt. Bis zur Mehrheitsübernahme bezahlt man eigentlich "alles" aus der "Portokasse" und FIAT-Europa dürfte wohl keinen wirklichen "Cent" in die USA gebracht haben.
Auch der Techologietransfer hält sich in Grenzen, denn Motoren wie den 1,4er MultiAir mögen sich gut für Obamas Administration machen und werbewirksam sein, aber für den US-Bürger kein Grund, sich ein Auto zu kaufen, die lieber weiterhin ihre großen Motoren vorziehen.
Die dann etwas "italienische Kosmetik" bekommen und das war es dann auch schon.
Anders ausgedrückt, FIAT hat Chrysler extrem "billig" bekommen und heute sorgen die Gewinntransfers von Chrysler - und natürlich auch FIAT-Latina - für das Auffangen der umfangreichen Verluste in Europa.
Ich muss dir nicht über die Einstellungen sagen. Wenn Leute lieber einen Coras als Punto nehmen, weil der Erste "Made in Germany" und der Zweite leider "Made in Italy" ist, wenn das Image dermaßen schlecht ist, dass die Leute deswegen Produkte meiden und lieber einen Gebrauchten mit "tollem" Image kaufen, ist es nur verständlich, dass man sich das zwei Mal überlegt.
Einer aus meinem Dorf hatte - dazu auch noch familiäre Beziehungen, ergo extrem günstig - einen neuen Delta Biturbo bekommen. Nun hat dieser keine Probleme gemacht (auch weil er ihn mit 5.000 Km abgegeben hatte), aber hier wurde er dann immer wieder darauf angesprochen, wieso denn so einen "Schrott" wie einen "Lancia" und nicht einen "Nobelwagen" wie BMW?
Das Ende vom Lied, er verkauft den Delta und holt sich einen BMW (kurioserweise ist der Händler nun "pleite" und er wird viel "Spaß" haben, die Garantieleistungen irgendwo auf "Sizilien" - ich übertreibe nachtürlich - geltend zu machen), hatte bisher jede Menge Probleme (hätte er vielleicht auch mit dem Delta haben können), aber er ist glücklich, denn ihm ist der "Applaus" der Leute sicher, die "Bewunderung", anstatt mitleidenswert angeschaut zu werden.
So sind sehr sehr viele Menschen gestrickt, andere, die leichtgläubig sind, andere, die sich vom "Stammtischgeschwätz" beeinflussen lassen.
Nun frage ich dich, wie soll ein Unternehmen existieren können - ich rede ja schon gar nicht von Gewinnen - wenn die Stimmung in praktisch ALLEN Ländern derart mies ist, dass viele allein dadurch deine Produkte nicht haben wollen.
Du kannst versuchen, über großartige Werbemaßnahmen einen Gegentrend erzeugen (ob das im deutschsprachigen Raum Erfolg hätte? Ich habe da so meine Zweifel), aber das dauert viele Jahre und in der Zwischenzeit bist du schon "tot" bzw. hast keine Garantie, dass es auch funktioniert.
Also vielleicht über den Preis. Fiore, je nach Modell kostet ein italienisches Auto bei vergleichsweiser Ausstattung rund 10.000 bis 15.000 und mehr Euro, also wo soll das hingehen. Damit nicht genug, viele wollen lieber "Haus und Hof" verkaufen, wichtig nur, sich in dem "Image" widerzuspiegeln.
Also geht es auch über dem Preis nicht. Also wie in Gottes Namen soll FIAT Produkte so entwickeln, produzieren und verkaufen, dass man nicht in Schieflage geraten?
Aber nehmen wir einmal an, dass Marchionne ein "Blindgänger" sei, dann frage ich dich, wieso auch die Franzosen und das mit beiden Gruppen, eine derartige Schieflage erleiden mussten?
Damit nicht genug, während die Leute in Frankreich applaudieren, wenn der Staat diese Unternehmen in irgendeiner Form unter die Arme greift, würde in Italien jede Regierung verlieren, die nur ansatzweise Hilfe gewähren würde. Die öffentliche Meinung ist derart FIAT-feindlich, dass du kaum eine Chance hast, hier etwas daran zu ändern. Dieser Zug ist längst abgefahren und ich behaupte, für die Marken FIAT, Lancia und auch Alfa ist Europa längt verbrannte Erde und man wird hier niemehr ein Bein zum Stehen bekommen.
Die könnten "Gold" produzieren, die Leute würden lieber "Müll" von ABM vorziehen. Das ist die Realität, ob es nun einen gefällt oder nicht, aber das ist die Situation. Wir können uns noch solange darüber unterhalten, wieso und warum das so ist, wann und wieso es soweit kommen konnte, aber es ändert nichts an den Status Quo. FIAT ist Synonym für "Schrott ab Werk" und du weißt, wie viele Witze sogar in der deutschen Politik die Runde machen. Mehr noch, du selbst hast ja einen Freundeskreis und ich bin mir sicher, nicht wenige haben dich skeptisch angeschaut, als die hörten, du habest ein kC oder heuer den New Ypsilon.
Wie gesagt, es hilft nichts, über die Schuldfrage zu disktutieren, denn sie ändert leider nichts an dem Zustand.
Ich möchte dir nur ein Beispiel nennen, wie manche ticken. Heute hat mich "mein" Meister angerufen, dessen Freund ein Golf "Metano" haben will, der aber erst im nächsten Jahr nach Italien kommt, während er schon in Deutschland auf den Markt sein soll. Nun sind die "Metano-Preise" hier echt günstig, keine Frage, aber warum im Gottes Namen redest "du" vom Spritsparen, um dann am Ende teilweise deutlich mehr für das Auto auszugeben, mehr als du wahrscheinlich jemals wieder über den Preis hereinbekommen könntest?
Warum? Weil es ein VW Golf ist. Der Witz ist, VW hat auf dem Gebiet keine wirkliche Erfahrungen und FIAT seit Jahrzehnten, ergo dürften gerade die FIAT-Motoren auf dem Gebiet besser sein, weil "ausgereifter", aber nein, ist ja "Schrottmarke", also lieber ein "Risiko" mit "Gold-Marke" eingehen.
So sieht das Europageschäft aus. Also ist Marchionne diesbezüglich nur "konsequent".
Chrysler kostet im Endeffekt rund 3,5 Mrd, Euro, aber die hat das Unternehmen in den letzten Jahren locker erwirtschaftet und sogar wenn du die Verluste der letzten Jahre FIAT-Europa einrechnest, hätte man somit Chrysler "gratis" bekommen bzw. mit den Gewinnen abzüglich der Verluste finanziert bekommen.
Also ist Chrysler sicherlich nicht das Problem.
Aber du, der ja Italien liebst. Ist dir bewusst, dass in den letzten Jahren nahezu alle!!!!!! traditionellen Marken Italiens in Besitz ausländischer Firmen geraten sind? Es gibt nur noch sehr wenige, darunter die FIAT-Gruppe, sogar die Modehäuser sind in Besitz "fremder" Unternehmen.
FIAT ist es heute gelungen, genau entgegen den Trend zu laufen und statt auch "geschluckt" zu werden, andere zu "schlucken".
Daher sage ich immer, Marchionne ist weder der "Messias" noch der "Teufel" in Person und man kann und soll ihn kritisieren, aber dabei nicht vergessen, dass es nur eine Seite der Medaille ist. Und dann sollte jeder sich die Frage stellen, ob FIAT als Unternehmen - zumindest als Automobilunternehmen - ohne Marchionne geben würde.
Wenn ja, dann hat er sicherlich recht, alles andere, was mit Marchionne im Zusammenhang steht, "vernichtend" zu kommentieren. Andernfalls ist eine "ausgeglicherene" Betrachtung, im Guten wie im Schlechten, nicht so verkehrt.
Ich mag Marchionnes Produktmanagement nicht, ich mag nicht seine Haken, die der blitzartig schlägt. Ich mag nicht seine teilweise flapsigen Äußerungen nicht, aber eins muss man ihm anerkennen, während fast alle anderen Unternehmen Italien in den Ruin getrieben wurden oder noch treiben, lebt FIAT immer noch und positioniert sich mehr und mehr zu einem "weltweiten" Unternehmen.