Der Ruf ist natürlich zum Teil berechtigt, allerdings gibt es Marken, da verzeiht man schnell etwas oder landet in die Versenkung. Wenn der Mercedes A von FIAT oder Peugot gekommen wäre, hätte man den vergolden können. Keiner hätte ihn gekauft. Ein BMW 5 mit 4 Sternen, ein Audi Q7 ´mit 4 Sternen, ein BWM 7, der aussah...na ja, über Geschmäcker lässt sich bekanntlich streiten.
In Italien ist besonders für Jugendliche der Autokauf eine Imagefrage. Warum wohl tragen Italiener Sonnenbrillen von Armani bei Regen?

Von Alfa erwartet man Heckantrieb. Das hat sie so in den Köpfen hier in Italien eingebürgert. Ich habe hier Alfa-Fahrer, die jammern, weil ihr Alfa "nur" Vorderradantrieb hat. Ich bin kein Alfista, ich kann dir nicht erklären, woher das kommt.
Mein Gott, vor 20-30 Jahren fuhren italienische Familien mit einem 5-türigen Uno, ein Croma mit der Basismanschine (es gab ihn hier auch mit 1,6l-Motor war) war schon ein Quantensprung. Der Thema war Utopie, ein Auto für "Politiker", aber auch damals träumten die meisten Italiener schon von Mercedes und Co, nur dass sie viel zu teuer waren, da es in Italien eine besonderes Luxussteuer auf Autos über 2 Liter-Hubraum gab, weswegen ja die berühmten 2-Liter-Turbomotoren im Einsatz waren. Wer ein Mercedes damals fuhr, galt als besonders reich. Es war die Zeit, wo es sehr schwer war, für ausländische Autos Ersatzteile zu bekommen, weswegen viele dann im Endeffekt sich einen FIAT kauften.
Ja, der Prisma verkaufte sich in Italien sehr gut, wie eigentlich sich Lancia-Modelle in Italien immer relativ gut verkauften. Der Delta 1 war zumindest in der Integrale-Vorzeit kein sportlicher Flitzer und wurde auch nicht als das angesehen. Er verkaufte sich am Anfang sehr schleppend, obwohl er Auto des Jahres wurde, was aber auch in der Denkweise vieler Italiener verwurzelt war. Er war einfach für eine italienische Familie "untauglich", wenn man den Preis berücksichtige. Ein Ritmo hatte mehr Kofferraum, mehr Platz, war billiger und somit das "geeigntere Auto".
Damals waren eben Autos wie der 127, Uno, Panda, FIAT 500 (Vorgänger vom 600) die "Stars der Zulassungsstatistiken. Damals kam Eigentum (Haus, Wohnung) und Familie an erster Stelle und das Auto an letzter.
Ja, ich weiß, dass man einen Integrale-Motor nur schwer mit Gas fahren sollte, aber so waren die Italiener drauf. Wenn Benziner, dann fast alle mit Gas. Uno Turbos mit der Gas-Anlage war schon fast die Regel denn die Ausnahme. So ist denn auch heuer in den FIAT-Foren einer der wichtigsten Themen, ob man den 1,4 Turbo mit Gasanlage fahren kann oder nicht. Mittlerweile bieten FIAT und VW ihre Fahrzeuge mit LPG an und die sind nicht aus eigener Entwicklung, sondern vom Marktführer "Landi".
Die Sichtweise, dass ein Golf besser als ein "Thesis" ist, wirst du nur in Italien erleben. Es hat etwas mit "Angebertun" zu tun. FIAT hatte immer das Image des Proletarierauto (ähnlich wie Opel im Ruhrgebiet). Die deutschen Autos standen von Anfang an auch für "Deutschland", also ein Land, in dem "alles perfekt" ist, "alles präzise" usw usw usw. und so wurde vieles auch in den Autos hineininterpretiert. Dazu hat FIAT diesbezüglich sehr viele Fehler gemacht, denn was wirklich manchmal von Werk abgeliefert wurde, war mehr als peinlich. Und somit wurden deutsche Autos schnell zum Auto der Begierde. Da wurde aus einem im Prinzip soliden Golf ein "Überauto", der schon fast ein "Rolls Royce" ist. Dazu gewinnen deutsche Autos fast immer ihre Tests, egal gegen wen. Da wird dem Golf die "besten Materialien" attestiert, während der Bravo "verbessert als früher, aber immer noch schlecht" bewertet wird.
Mag auch sein, dass viele Italiener im Gegensatz zu früher verreisen und somit in Deutschland die Deutschen alle mit großen Autos gesehen haben und das hat mit Sicherheit auch viel Eindruck hinterlassen. Es gibt hier Orte, da haben gleich die Leute gleich reihenweise das gleiche Auto gekauft.
Viel basiert auch auf Ignoranz und Dummheit. Wir hatten immer die "Topversionen" der FIAT-Gruppe und wenn wir früher nach Italien fuhren, hieß es, "na ja, FIAT baut für das Ausland die besseren Autos, hier gibt es so etwas nicht". Bis ich dann irgendwann eine italienische Autozeitung genauer studiert habe und sah, dass es im Prinzip die gleichen Typen auch dort gab. Übrigens für den "schlechten Ruf" haben in erster Linie die alte Garde der Autos der FIAT-Gruppe gesorgt, wie alle FIATs bis zum Bravo II, Punto II und Panda und natürlich FIAT 500. Bei Lancia rettet sich NUR der Thesis. Der Rest gilt als "Müll" Bei Alfa retten sich eigentlich nur die neueren Modelle ab 156 zweite Serie, 166 zweite Serie und auch 147.
Alles, was vorher war, galt als fahrender "Müll". Das Problem ist, dass alle neueren Modelle von FIAT/Lancia/Alfa mit Sicherheit nicht schlechter sind als die Konkurrenz, aber eben das Image anhaftet.
Ich habe mit der FIAT-Gruppe nie so schlechte Erfahrungen gemacht. Der Empfindlichste war ausgerechnet der Lancia Dedra, der im Endeffekt auch nicht so schlecht war, aber immer wurde auch sehr gepflegt und hat seinen Dienst getan. Womit ich überhaupt nicht zufrieden war, waren die Werkstätte und Händler in Deutschland. Das war schon teilweise sehr kriminell. Die waren für FIAT schon schlecht, für Lancia eine Zumutung.
Wie gesagt, FIAT hat viel selbst Schuld, wir Italiener auch. Berlusconi hat mit Sicherheit nicht die Schuld, dass man hier deutsche Autos kauft (Na ja, Audi hat gerade von ihm profitiert), aber es schadet dem Image.
Abarth hat einen Klang bei der Jugend, aber eben vor allem bei denjenigen, die eh mehr FIAT verbunden sind. Es war aber vom Marketing her eine tolle Entscheidung, denn es hat den jungen "FIAT-Fans" eine neue Heimat zu gegeben. Abarth hat in Italien Potenzial, weil er den Jugendlichen eine gewisse "Besonderheit" bietet. Vor der Wahl, ob einen neuen Abarth oder alten Mini, werden einige Eltern ihren Kindern eher den Abarth ans Herz legen. Abarth hat das Zeug dazu, italienische Fahrzeuge im unteren Bereich schmackhafter zu machen und geht in der Richtung, was ich schon immer gemeint habe. Man muss nicht immer nur rein auf die Bilanz achten, sondern man muss auch auf das Image achten. Auch wenn du vielleicht nur 5.000 Abarths im Jahr verkaufst, so sorgen aber die 5.000, dass am Ende alle anderen auch verkauft werden.
Für mich wäre es denn auch ein Fehler, keinen Thesis-Nachfolger auf den Markt zu bringen. Von mir aus kann er kostengünstiger werden, die Bodengruppe mit Alfa und wer auch immer teilen, aber ein Lancia ohne eine größere Limousine bedeutet der entgültige Tod. Selbst wenn davon nur 10.000 verkauft werden würden, wäre er ein Aushängeschild.
Du glaubst gar nicht, wie hängeringend hier die Lancia-Händler auf den Delta warteten, denn wie sagte mein Bekannter?: Sag mir, was hätte ich mir denn sonst hier in den Verkaufsraum hinstellen sollen? Nur Ypsilon und Musa? Der Phedra stellt man sich hier kaum in einem Verkaufsraum, weil er hier in unserer Gegend kaum verkauft wird. Der Thesis ist eigentlich de facto aus dem Programm, also ist der Delta nun derjenige, der die Verkaufsräume füllen muss.
Ich kann deine Wut und deine Kritik verstehen, aber ich möchte, dass du nicht vergisst, wann diese Fehler eingeleitet wurden, wer sie verursacht hat und dass heute nicht nur LANCIA, sondern auch FIAT ums nackte Überleben kämpft und das nicht erst seit der Krise. Man hatte kein Geld, keine Entwicklung von Bodengruppen, von Motoren, nichts... Alles das aufzuholen, geht nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit. Marchionne hat FIAT finanziell saniert, die Mentalität im Unternehmen geändert (60% aller Manager hat er sofort entlassen, weil sie teilweise überflüssig waren und nur eine Art "Rente auf Lebenszeit" bezogen) und das alles mit wenig Spielraum. Es sind eine Reihe von Motorenneuentwicklungen zu erwarten und auch neue Modelle werden kommen. Wichtig ist aber auch vor allem, dass die Fahrzeuge zuverlässig sind, ihren schlechten Ruf als "Pannenkönige" loswerden. Dort ist man auf dem besten Weg, aber noch ist hier viel zu tun, besonders in den italienischen Produktionsstätten, denn der Qualitätsstandard der italienischen Fabriken liegt um Lichtjahre hinter der in Polen beispielsweise.
Ich beispielsweise werde mir wahrscheinlich einen Delta, zulegen. Den Lybra, der dir am Herzen liegt, hätte ich nicht einmal nur annäherend in Erwägung gezogen. Du wirst also als Hersteller niemals alle zufriedenstellen können. Aber obwohl der Delta mir persönlich gefällt (der Lybra gefällt mir heute besser als am Anfang), finde ich es extrem riskant, ein so kontroverses Auto auf den Markt zu bringen, obwohl man mit kontroversen Fahrzeugen nicht so sonderlich gut gefahren ist. Ich weiß nicht, ob FIAT damit gut beraten war, so ein Auto auf den Markt zu bringen, das die einen als "Geniestreich der italienischen Designerkunst" bezeichnen, andere aber es fast als "das hässlichste Auto der Welt" abtun. So etwas kann sich BMW erlauben, Mercedes auch noch, aber bei Lancia in der aktuellen Situation ist es sehr gewagt. Mag sein, dass man eh mit so kleinen Stückzahlen operiert hat, dass man meinte, es sei besser, wenn man kontrovers über ein Auto redet, wenn es aus der Menge herausragt. Man hatte eh nicht den typischen Golf-Fahrer im Fadenkreuz.
Ich habe FIAT mit der Muttermilch aufgesogen und ich werde IMMER italienische Autos fahren, solange man sie kaufen kann. Ich habe über FIAT, Lancia, Alfa schlimmer geschimpft als du. Wenn ich einen Romiti abends in dunklen Gassen treffen würde, würde ich ... und zu Agnelli sage ich nur "i mortacci sua"... Aber eben weil ein Leben lang "italienisch" fahre, sehe ich, was realistisch ist und was nicht, was machbar ist und was nicht. Ich weiß, wo FIAT vor einigen Jahren stand, was getan oder besser, was nicht getan wurde. Man hat Lancia getötet, Alfa fast auch und selbst FIAT war so gut wie tot und bei aller Kritik an der Denkweise meiner Landsleute, an das Verhalten der Presse, weiß ich, dass im Endeffekt die Schuld bei der FIAT-Führung der 80er, 90er und Anfang der 2000er Jahre zu suchen ist. Die Ansätze heuer sind gut, die Planungen lassen viel Gutes hoffen, aber ob das alles ausreicht, wird sich zeigen. Ich weiß nicht, ob Lancia wirklich noch eine Zukunft hat und selbst Alfa wird es sehr schwer haben, denn den Italienern haftet der Ruf an, tolle Kleinautos bauen zu können, aber große Autos? Da vertraut man den Deutschen mehr.