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Re: Einigung für Mirafiori erzielt

Posted: 25 Dec 2010, 08:46
by Helmut F.
Hallo Bernardo,
danke für die schnelle Information,

wie stark ist da der Einfluss der FIOM-CIGL um die Arbeitnehmerschaft negativ zu beeinflussen?
reicht dann der Qualitätssprung aus, um Wettbewerbsfähig zu sein?

Du schreibst, Zitat: "Volle Auslastungen der Maschinen an 6 Tagen, Schichtarbeit, Frage der Fehlzeiten, Überstunden, Pausen und die Mensa am Schichtende".
Das ist doch nichts ausergewöhnliches, schon lange Standart.

Bei uns ist es mittlerweise üblich ein sogenanntes Kurzzeitkonto und ein Langzeitkonto zu haben.

Beim Kurzzeitkonto werden z.B. bis zu 200 Überstunden angesammelt, mit denen man mal Brückentage, Krankheitstage und ähnliches abfedert.
Das Langzeitkonto wird angesammelt, um in Altersteilzeit oder früher in Rente zu gehen.
Das sind also eigentlich auch Vorleistungen der Arbeiter, weil die Arbeit geleistet, aber nicht entlohnt wurde.

Fehlzeiten sind ganz schlecht. Bei Pausen muss beispielsweise meinstens abgestempelt werden (also nicht bezahlt, Raucher haben es schwer)
Wenn Arbeiter mit Fremdfabrikaten unterwegs sind und/oder auf das Fa.-Gelände wollen wird es verwehrt, sie werden gezielt angegangen und gefragt, wo sie ihr Geld verdienen, usw. (wie kannst du nur, z.B. bei BMW arbeiten aber einen Italiener zu fahren??? Ist mir schon passiert, als ich beruflich bei VW mit einem Skudo aufs Gelände fahren wollte, musste ich das Werkzeug über 2,5 km schleppen)

Das Stammpersonal wird zu ca. 30% durch Zeitarbeiter ergänzt, dadurch ist man zusätzlich flexibel und die machen zwar die gleiche Arbeit, arbeiten teilweise um weit weniger Geld, also Kostenersparnis, die sind nicht organisiert und dürfen nicht streiken....
Die Arbeiter, welche nicht streiken oder nicht organisiert sind bekommen zu Streikzeiten Sonderzahlungen- das sind ja die "guten Arbeiter"
Es gibt mittlerweile Firmen, die dich gar nicht mehr einstellen, wen du Gewerschafter bist und wenn du es bei der Einstellung verschweigst, wirst du so lange gemobt, bist du freiwillig gehst.

Solche Bestimmungen und Vereinbarungen sind in D schon lange Standart.
Daran werden sich unsere italienischen Freunde in den Gewerkschaften gewöhnen müssen.


Weihnachtliche Grüße

Re: Einigung für Mirafiori erzielt

Posted: 25 Dec 2010, 11:13
by lanciadelta64
Ciao Helmut,

erst einmal Frohe Weihnachten…

Nun du weißt das, ich weiß das, aber solche Dinge haben sich in Italien noch nicht herumgesprochen bzw. interessiert keinen. Man tut gerne so, als sei man allein auf der Welt, als sei Italien ein eigener Planet.

Was mich aber an der Situation am meisten irritiert hat, ist weniger dass Gewerkschaften und/oder Arbeiterschaften einen Versuch starten, das Maximum herauszuholen, sondern mit welcher teilweise schon gewalttätigen Akten für Banalitäten gekämpft wird. Ob nun 10 Minuten weniger Pause ein Problem darstellen, oder ob mehr Flexibilität, sind in meinen Augen Bagatellen, genauso das mit der Mensa. Klar, es heißt, man müsse mehr arbeiten, denn anstatt während der Arbeitzeit essen zu gehen, muss man es nun nach der Schicht. Mamma mia, was für ein Opfer, was für ein Skandal.

Verstehst du? Das sind für mich Lächerlichkeiten im Vergleich dessen, was man bekommt. Bis jetzt produziert FIAT in Mirafiori nicht einmal 30% dessen, was produziert werden soll. Die Arbeiter sind seit Wochen beinahe in Dauerkurzarbeit, also alles Dinge, die keiner Familie guttut. Denn es bedeutet Einbußen beim Lohn.

Ich verstehe daher nicht die Logik, nicht für die mir bekannten Gründe. Mein Gott, dann muss halt Schicht gearbeitet werden und auch samstags. Andere schlagen sich darum, möglichst die Samstage und Sonntage mitzunehmen, weil mehr Geld hereinkommt, die aber wehren sich.

Man will mehr Flexibilität hereinbringen, also dass einer beispielsweise die Arbeitzeit auch in 4 Tagen absolvieren kann, dafür dann freihat.

Wie gesagt, für mich sind das mehr oder weniger Bagatellen, zumindest wenn man an den Gewinn sieht, den jeder Arbeiter davontragen könnte.

Nun gut, man hat Angst, dass der nationale Mantelvertrag ausgehöhlt wird, dass Gewohnheiten nun abgeschafft werden, aber die Zeiten haben sich geändert und heute verdient ein FIAT-Arbeiter im Vergleich zu früher auch nicht mehr so schlecht. So, wie heute wird man in Mirafiori nur noch „Dauerkurzarbeit“ haben und wenn man dafür aber a) einen sicheren Arbeitsplatz bekommt, der einem „Vollbeschäftigung“ garantiert und b) noch zusätzliche Arbeitsplätze garantiert werden, wo ist das Problem? Warum soll FIAT in Turin investieren? Der Tradition wegen? Nur deswegen? Warum sollen sie nicht dahingehen, wo besser bessere Konditionen vorherrschen.

Mich verwundert also dieser „Krieg“ der FIOM. Nun gut, sie ist traditionell für ihre Radikalität bekannt und hat in den 70er und 80er Jahren für teilweise gewalttätige Auseinandersetzungen gesorgt. Die damaligen wilden Streiks hatten FIAT am Rande des Ruins getrieben. Aber die Zeiten haben sich geändert und ich weiß nicht, ob es nun mit all den Privilegien in einer „Arbeitsruine“ zu arbeiten besser ist als in einem neuen Komplex mit allen modernen Errungenschaften, ich denke mir nicht.

Die FIOM gehört zum stärksten Gewerkschaftsverband Italiens. Das Problem wird sein, dass FIAT nun sie aus Mirafiori herausdrängt, denn es dürfen nur die gewerkschaftlich vertreten, die die Abmachung unterzeichnet haben. Das hieße, die FIOM-Mitglieder könnten unter Umständen nicht mehr in die Belegschaft aufgenommen werden. (Offiziell natürlich nicht, denn in Italien gilt die freie Wahl der Gewerkschaften, was aber mit Sicherheit auch wegen dieser „Ausweisung“ der FIOM noch ein gerichtliches Nachspiel haben wird).

Nun soweit ich weiß, ist Mirafiori nicht mehr mehrheitlich in der Hand der FIOM, aber ein Sieg könnte zum Bumerang werden, denn die FIOM ist oft in den Zulieferbetrieben die stärkste Gewerkschaft, in anderen sogar die einzige Vertretung. Das hieße, man könne FIAT durch die „Hintertüre“ lahm legen und somit derart auf Konfrontationskurs zu gehen, kann gefährlich werden.

Wie das mit der „Qualität“ sein wird, ist eine andere Frage. Zum einen arbeitet man in Mirafiori schon länger besser als in Cassino oder Melfi (von Pomigliano möchte ich nicht reden, denn das ist dort schon kriminell), zum anderen gehe ich einmal davon aus, dass diejenigen, die der Abmachung zustimmen werden, kein Interesse an Sabotageakte etc. haben werden, denn das ist das eigentliche Problem, dass in italienischen Fabriken regelrechte Sabotageakte vollzogen werden, die „Anarchie“ italienischer Arbeiter. Und nur so lassen sich auch bestimmte Defekte an bestimmten Fahrzeugen erklären, denn es kann einmal sein, dass etwas geschlampt wird, dass vielleicht etwas nicht absolut perfekt eingebaut ist, aber manche Dinge würde selbst ein „Blinder“ hinbekommen und wenn Teile gar komplett fehlen, hat das weniger mit „Arbeitsleistung“ an sich zu tun.

Mit Sicherheit bedeutet Mirafiori – sollte die Abmachung die Zustimmung der Arbeiterschaft erhalten – ein wichtiger Punkt in der Strategie FIATs, denn nach Pomigliano (Melfi hat ähnliche Konditionen schon länger) wäre Mirafiori der nächste Standort, der nach Marchionnes Standard arbeitet. Ich gehe einmal davon aus, dass dies auch für die Ex-Fabrik von Bertone gelten dürfte, deren Arbeiter seit längerer Zeit in „Null-Stunden-Dauerkurzarbeit“ sind, denn die werden mit Sicherheit überhaupt froh sein, dass dort wieder produziert wird.

Bliebe noch Cassino übrig, aber hier denke ich mir, wird es spätestens mit dem Auslaufen der Giulietta große Änderungen geben, vielleicht schon vorher, weil der Croma 2012 von Band geht, der Delta 2013/14 und der aktuelle Bravo dann auch schon nicht mehr in der aktuellen Version sein wird.

Also noch schöne Feiertage

Bernardo

Re: Einigung für Mirafiori erzielt

Posted: 25 Dec 2010, 12:17
by LCV
Ich denke, dass es dieser Gewerkschaftsmafia völlig egal ist,
wie der einzelne Arbeiter abschneidet. Denen geht es um
ihren Machterhalt und dafür kämpfen die mit ähnlichen Mitteln,
wie früher die Kommunisten in ihren Diktaturen. Den Leuten
werden Parolen eingehämmert, das grenzt schon an Gehirnwäsche,
und sie werden regelrecht verblödet. Je weniger diese Leute
selbst in der Lage sind, mal ihr Hirn zu benutzen, desto besser
kann man sie lenken. Dabei muss man sich ja nur mal anschauen,
in welchem Luxus und Reichtum Gewerkschaftsbosse leben, um
zu erkennen, worum es denen wirklich geht.

Leider scheuen sich selbst in sog. Rechtsstaaten die Politiker,
sich mit dieser Mafia anzulegen. Richtig wäre, dass man sich diese
Vögel ganz genau anschaut, dann würden nämlich die meisten
im Knast landen!

Gruß Frank