Ciao Mikele,
ich habe lange überlegt, ob dir antworten soll oder nicht, weil ich keine erneute (die x-te) Diskussion um „alte oder neue“ Lancias, Krieg zwischen „Alt-Lancisti“ und „Neu-Lancisti“ heraufzubeschwören, denn das ist das Letzte, was ich will, eben weil ich mich als „Alt-Lancista“ und auch als „Neu-Lancista“ fühle, neue wie alte Fahrzeuge hatte und habe.
Aber dennoch möchte ich ein paar Anmerkungen machen. Es ist nicht so, dass nun prinzipiell die Fahrzeuge „früher“ bessere Fahrwerke hatten oder bessere Straßenlagen. Das entspricht nicht meinen Erfahrungen, sie waren nur „ehrlicher“ und es ist immer wieder erstaunlich, mit wie wenig Mitteln man Dinge erreichen konnte, wofür heute man eine Menge Aufwand betreiben muss.
Ich hatte 19 Jahre einen FIAT Uno Turbo und ich habe mit dem Dinge geschafft, die schon sehr erstaunlich waren, aber mein 6 Jahre „junger“ Punto HGT ist, obwohl rund 200 Kg schwerer, größeren Motor auf der Vorderachse, ihm in Sachen Fahrverhalten auf jeden Fall überlegen und dabei rede ich nicht vom ESP, das bei mir nur einmal eingegriffen hat, als ich es einfach ausprobieren wollte und mutwillig es heraufbeschworen hatte.
Wenn ich meinen alten Dedra Turbo mit meinem aktuellen Delta vergleiche, dann verliert der Dedra gerade in Punkto Fahrverhalten (bei den Fahrleistungen nehmen die sich nicht viel). Da merkt man eindeutig, dass der Delta mit dem RSS besser abgestimmt ist.
Der Dedra wurde bei mir erst an der Hinterachse ruhig, als ich ihn tiefer gelegt hatte (dafür dann ein Brett wurde) und von 15-Zollern auf 17-Zollern mit 40 Querschnittreifen auf 205er Breite, also wirklich mit extrem harten Seitenwänden.
Verstehe mich nicht falsch, ich will hier nicht damit sagen, heute sei alles „besser“ oder die alten Fahrzeuge seien „Kisten“. Mitnichten, es zeigt nur, dass die Fahrzeuge in der Praxis nun nicht um jeden Preis heute schlechter sind als früher – und ich habe hier lauter Kurven, mit großen Höhenunterschieden und somit werden Fahrwerkschwächen sofort gnadenlos aufgedeckt.
Wenn man dann bedenkt, was für einen Aufwand betrieben werden muss (der Dedra hatte original 195/50/15, mein Delta 225/40/18, Dedra einfache Einzelradaufhängung mit zu weichen Federn, mein Delta ein elektronisches Fahrwerk, dazu die ganzen Helfer wie elektronisch simuliertes Sperrdifferenzial etc., 20 Jahre Entwicklung des ABS), dann ist es natürlich erstaunlich, wie gut die Fahrzeuge früher liefen.
Glaube mir, ich liebe die alten Fahrzeuge (ich habe noch einen fast 40 Jahre alten FIAT 500) und vom purem Fahrspaß her nicht zu überbieten, aber wenn wir ehrlich sind, wie viele der heutigen Menschen wollen auf Klima, elektrische FH,ZV,10-20-30 Airbags verzichten usw. usw. usw. usw.?
Nicht einmal in einem Kleinwagen will man darauf verzichten. Dann stoße mit einem 20 Jahren alten Wagen gegen ein anderes Auto und man sieht, warum die heutigen Fahrzeuge auch so viel wiegen. Die Front wurde teilweise länger, um den Fußgängern genügend Schutz zu bieten (ich befürchte, unsere alten Fahrzeuge würden hier die rote Karte bekommen) und auch sonst wurde alles verstärkt. Ich sehe das am besten zwischen dem Uno und dem Punto (und der Grande Punto/Evo ist noch einmal eine Steigerung) den Unterschied. In Punkto Raumausnutzung ist der Uno dem Punto in jeder Hinsicht überlegen, denn obwohl länger und breiter bietet der Punto kaum mehr Platz, auch nicht nach oben, obwohl beinahe 7-8cm höher, 13 cm breiter und 19 cm länger.
Nun kann man bei FIAT kaum verlernt haben, optimale Raumausnutzung zu betreiben, aber wenn du dir dann die Fahrzeuge genau anschaust, weißt du, wohin 90% der größeren Außenabmessungen hingegangen sind, nämlich in die Sicherheit und Steifigkeit. Wenn ich mir die Einstiege eines Unos oder Puntos anschaue, die Türen, der hintere Seitenbereich, das Heck und auch die Front. Und da habe ich noch nicht einmal von den Airbags, ABS etc. gesprochen, die der Uno nicht kannte.
Die überwiegende Mehrzahl dieser Veränderungen sind heute in der EU Gesetz und kein Hersteller könnte mehr Autos bauen, wie es dein wunderschöner HPE ist oder wie es meine alten Autos waren.
Dass dabei die „Ehrlichkeit“ der Fahrzeuge und die Seele auf der Strecke geblieben sind, ist ein anderes Thema. Fahrfreude purster Art wird man heute allein wegen der vielen elektronischen Helfer nicht mehr spüren können und dieses Gefühl (unabhängig, ob man nun damit 5 Km/h schneller oder langsamer um die Kurven kam/kommt), alles in der Hand zu haben, selbst bestimmen zu können, was das Auto tut (und somit i.d.R. nur von der eigenen Fähigkeit abhängig zu sein und nicht von Dingen, auf die wir uns blind verlassen müssen und besser nicht darüber nachdenken sollen, wenn sie mal nicht funktionieren sollten).
Ob nun alles in die richtige Richtung gegangen ist, ist eine schwierige Frage. Ich war immer ein Purist, wollte keine Airbags (mein Delta hat nun 7, fehlt nur noch, dass ich demnächst noch einen unterm Hintern habe

, ABS ist für mich erst jetzt interessant geworden, weil man nun auch mit ABS so fahren und bremsen kann, wie früher ohne und das ESP ist bei mir auch nicht unbedingt ein Muss und ich konnte Auto fahren ohne so etwas drin zu haben.
Ich bin auch der Meinung, dass eine Steigerung der vielen Sicherheitsmaßnahmen ein Auto nicht unbedingt nur sicher macht, oder anders ausgedrückt, für jede „Errungenschaft“ muss man auch einen Preis bezahlen (wobei ich hier nicht vom ökonomischen Preis spreche), aber die Statistiken scheinen mich zu widerlegen, denn es sterben immer weniger im Straßenverkehr, obwohl die Unfälle sogar steigen (ob es nur auf die Sicherheit der Fahrzeuge zurückzuführen ist, oder ob nicht zum Teil das höhere Verkehrsaufkommen mit geringeren Durchschnittsgeschwindigkeiten, immer stärkere Radarfallen dafür auch verantwortlich sind, müssen andere beantworten).
Ich zähle zu den Leuten, die nicht meinen, dass alles, was früher gab, schlecht war, aber genauso wenig, dass früher alles „besser“ gewesen ist.
Das Autofahren war anders, für den einen schöner, für den anderen vielleicht schlechter (man stelle sich eine Frau vor, wenn sie mit den alten Fahrzeugen vorlieb nehmen müsste. Das Gejammere wäre vorprogrammiert).
Ich hoffe, Mikele, du verstehst mich. Ich will KEINE Diskussion ob alt oder neu besser war/ist, sondern einfach darauf hinweisen, dass die Fahrzeuge früher nun nicht alle mit „bester Straßenlage“ waren und heute alles nur „Gurken“ sind. Das stimmt für mich so nicht, genauso wenig wie das Gegenteil davon. Die Fahrzeuge machten früher einfach mehr Spaß, wahren ehrlicher, purer und wollten gefahren werden, während die heutigen Fahrzeuge dich eher fahren, dafür waren aber dann die Fahrzeuge früher weniger „lammfromm“ (oder narrensicher) und nicht selten brauchten sie eine kundige Hand. Machtest du einen Fehler, konnte dir kein ESP, kein ABS, einfach nichts mehr retten. Ich habe beispielsweise noch heute das Bremsen, Bremsen lösen und ausweichen, in mir drin, aber viele der heutigen Autofahrer wissen nicht einmal, wie das geht
Tanti saluti und von ganzem Herzen viel Spaß mit deinem schönen HPE (:P), für den ich dich beneide
Bernardo